Leitsatz

Die Verjährung eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs beginnt, wenn der Schaden dem Grunde nach entstanden ist, ohne dass die konkrete Höhe festzustehen braucht.

 

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aufgrund angeblich unzureichender anwaltlicher Beratung in den Jahren ab 1991. Der BGH hob das Urteil der Vorinstanz, mit dem den früheren Mandanten Ersatz zugesprochen war, wegen Verjährungseintritts auf und wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Im Urteilsfall war das bis zum 9.9.1994 geltende Verjährungsrecht nach § 51 BRAO a.F. anzuwenden, das eine dreijährige Verjährungsfrist begründete. Die Frist läuft ab dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch entstanden ist, spätestens jedoch in drei Jahren nach der Beendigung des Auftrags. Hat der Anwalt vor Ablauf der Verjährung dieses Primäranspruchs begründeten Anlass zu prüfen, ob er seine Auftraggeber durch einen Fehler geschädigt hat, und muss er dabei eine durch seinen Fehler eingetretene Schädigung erkennen, so entsteht die Verpflichtung, auf die Möglichkeit der eigenen Haftung sowie auf die kurze Verjährungsfrist des § 51 BRAO a.F. hinzuweisen. Diese Sekundärpflicht ist verletzt, wenn der Rechtsanwalt den gebotenen Hinweis vor Eintritt der Primärverjährung nicht erteilt. Versäumt der haftpflichtige Anwalt schuldhaft den Hinweis, steht dem Geschädigten nach altem Recht ein Sekundäranspruch zu. Er muss dann so gestellt werden, als wäre die Verjährung des primären Schadensersatzanspruchs nicht eingetreten[1].

Die Verjährung des vertraglichen Schadensersatzanspruchs nach § 51 BRAO a.F. beginnt, wenn der Schaden wenigstens dem Grunde nach entstanden ist, auch wenn seine Höhe noch nicht beziffert werden kann. Das trifft zu, sobald durch die Verletzungshandlung eine Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist. Dabei muss noch nicht feststehen, ob der Schaden bestehen bleibt und damit endgültig wird. Ist dagegen noch offen, ob ein pflichtwidriges Verhalten zu einem Schaden führt, so ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden, so dass eine Verjährungsfrist nicht in Lauf gesetzt wird[2].

Besteht der Pflichtverstoß des Rechtsanwalts darin, dass durch die Ausübung eines vertraglichen Gestaltungsrechts andere Ansprüche, die erfolgversprechend gewesen wären, dauerhaft vereitelt werden, so entsteht der Schaden bereits mit der Ausübung des Gestaltungsrechts. Bereits dadurch hat sich die Vermögenslage des Auftraggebers endgültig verschlechtert[3].

Im Urteilsfall hatte der Anwalt mit Schreiben vom 3.6.1992 fälschlich eine bindende Rücktrittserklärung abgegeben. Mit diesem Schreiben begann die Verjährungsfrist zu laufen. Auch die Sekundärverjährung war damit im Juni 1998 eingetreten. Die erst Ende Juli 1998 erhobene Klage war also verspätet.

 

Praxishinweis

Seit 1.1.2002 gelten für die Verjährung von Schadensersatzansprüchen aufgrund von Beratungsleistungen die allgemeinen Bestimmungen der §§ 195ff. BGB. Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist ebenfalls drei Jahre. Sie beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Mandant von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt. Ersatzansprüche verjähren nach § 199 Abs. 3 BGB spätestens 10 Jahre nach ihrer Entstehung bzw. 30 Jahre nach der sie auslösenden Pflichtverletzung. Die Rechtsprechung zur Sekundärhaftung ist damit nach neuem Recht nicht mehr zu beachten[4]. Sie gilt aber noch für alle Altfälle.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 23.6.2005, IX ZR 197/01

[1] Vgl. etwa BGH-Urteile vom 14.11.1991, IX ZR 31/91, WM 1992, S. 579; vom 9.12.1999, IX ZR 129/99, WM 2000, S. 959; vom 12.2.2004, IX ZR 246/02, DStR 2004, S. 2221
[2] Ausführlich BGH-Urteil vom 12.2.2004, a.a.O. (Fn. 1)
[4] Ausführlich Gehre/v. Borstel, StBerG, 5. Aufl., München 2005, § 67a Rz. 14ff.

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