Leitsatz

In dieser Entscheidung hat sich das OLG Hamburg mit den Kriterien für eine Rechtsanwaltsbeiordnung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren auseinandergesetzt.

 

Sachverhalt

Das AG hatte den Beteiligten eines Abstammungsverfahrens Verfahrenskostenhilfe bewilligt, ihre Anträge auf Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten jedoch zurückgewiesen. Der Beteiligte zu 4) betrieb die Anfechtung der Vaterschaft zu den Beteiligten zu 1) und 2), die während der Ehezeit mit der Kindesmutter, der Beteiligten zu 3), geboren waren. Diese hatte dem Beteiligten zu 4) nach der Trennung von ihm in einem Gespräch im Mai 2009 mitgeteilt, während der Empfängniszeit der Kinder ein Verhältnis mit einem anderen Mann gehabt zu haben. Sie ziehe die Vaterschaft dieses Mannes in Betracht, da sie sowohl mit ihm als auch mit dem Beteiligten zu 4) während der Empfängniszeit verkehrt habe.

Die Beteiligten waren chilenischer Abstammung, die Kindesmutter hatte inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt. Das Scheidungsverfahren zwischen den Beteiligten zu 3) und 4) war anhängig.

Der Beteiligte zu 4) hat gegen den VKH-Beschluss Beschwerde eingelegt. Dieser hat das Familiengericht, soweit es sich um die Ratenzahlungsanordnung handelte, abgeholfen, im Übrigen aber die Ablehnung der Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 4) aufrecht erhalten.

Das Rechtsmittel war erfolgreich.

Das OLG führte in seiner Entscheidung aus, dass die Frage, ob eine Sach- und Rechtslage schwierig sei, nicht aus Sicht des erfahrenen Familienrichters, sondern aus der Perspektive eines juristischen Laien zu entscheiden sei, der ohne besondere Vorkenntnisse um Rechtsschutz nachsuche und sich unter Umständen nach Trennung oder Scheidung in einer schwierigen Lebensphase befinde (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 580).

Dabei sei die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage auch nicht abstrakt aus der Sicht eines fiktiven Beteiligten zu beurteilen, sondern konkret aus der Sicht des antragstellenden Beteiligten. Ausschlaggebend sei der konkrete Einzelfall (vgl. BGH FamRZ 2009, 857; OLG Hamburg, Entsch. v. 28.1.2010 - 12 WF 254/09).

Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Kammerbeschluss v. 22.6.2007 - 1 BvR 681/07 - und Kammerbeschluss v. 6.5.2009 - 1 BvR 439/08) sei hinsichtlich der Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Umfang und Schwierigkeit der Sache und auf die Fähigkeit der Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken, abzustellen. Entscheidend sei, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte.

Diese Grundsätze hätten Geltung auch im Rahmen des § 78 Abs. 2 FamFG.

Unter Berücksichtigung der genannten Kriterien sei dem Beteiligten zu 4) ein Anwalt beizuordnen. Ihm sei nach der Trennung von der Kindesmutter von dieser in einem Gespräch im Mai 2009 eröffnet worden, dass es sich bei ehelich geborenen Kindern möglicherweise nicht um seine Kinder handele. Er habe zur Klärung der Abstammungsfrage, an welche sich neben der persönlichen Auswirkungen eine Vielzahl wichtiger Rechtsfolgen wie Unterhaltspflicht, Sorge- und Umgangsrecht usw. knüpften, eine Rechtsanwältin eingeschaltet. Einem juristischen Laien wie dem Beteiligten zu 4) sei dabei in der Regel nicht bekannt, welche Voraussetzungen vorliegen und eingehalten werden müssten, damit eine Vaterschaftsanfechtungsklage Aussicht auf Erfolg habe.

Hinzu komme, dass der Beteiligte zu 4) aufgrund seiner chilenischen Abstammung Schwierigkeiten insbesondere mit der deutschen Schriftsprache habe. Im Ergebnis sei davon auszugehen, dass ein Bemittelter in der Lage des Beteiligten zu 4) vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen nicht nur im Scheidungsverfahren, sondern auch im Abstammungsverfahren mit seiner weit reichenden Bedeutung beauftragt hätte.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamburg, Beschluss vom 02.07.2010, 12 WF 137/10

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