Problemüberblick

Im Fall geht es um die Frage, wer der Veräußerung des Teileigentums zustimmen muss: Der Verwalter, weil er ausdrücklich in der Gemeinschaftsordnung als zuständige Stelle benannt ist. Oder die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die seit dem 1.12.2020 das gemeinschaftliche Eigentum verwaltet und deren bloßes Organ der Verwalter ist. An der Beantwortung dieser Frage hängt zum einen die Lösung, wer zu verklagen ist (= die Fallfrage). An der Beantwortung hängt aber auch die Lösung, wer für eine zu Unrecht nicht erteilte Zustimmung originär haftet, was gilt, wenn es keinen Verwalter gibt, und – mittelbar – was für alle anderen Zustimmungen gilt, die nach einer Gemeinschaftsordnung durch die Verwaltung zu erteilen sind.

Gemeinschaftsordnung und Zustimmung

Die Wohnungseigentümer hatten in der Vergangenheit vielfach vereinbart und zum Inhalt des Sondereigentums gemacht, dass der Verwalter weitere Pflichten erfüllen muss. Man muss diese Vereinbarungen jetzt mit neuen Augen sehen: Nicht mehr als eine Übertragung von Aufgaben an den Verwalter, sondern als Beschluss i. S. v. § 27 Abs. 2 WEG und die Verwaltungen damit als berechtigt ansehen, ohne Weiteres den Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu bilden. Da die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und nicht der Verwalter sich zu erklären hat, wird man ferner annehmen müssen, dass es sich bei Erklärungen gegenüber Dritten um Handlungen handelt, die § 9b Abs. 1 WEG unterfallen. Dies heißt aber auch, dass es nicht mehr möglich ist, dass die Wohnungseigentümer durch einen Beschluss den Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bilden. Denn auch in diesem Fall bedarf es wohl einer Äußerung nach außen.

Streitwert

Der BGH hat mit der Entscheidung auch geklärt, dass der Streitwert einer Klage auf Erteilung der Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums nach § 12 Abs. 1 WEG in der Regel 20 % des Verkaufspreises des Wohnungseigentums beträgt. Der Nachteil des Wohnungseigentümers, der veräußern will, liegt grundsätzlich nur in der Verzögerung der Veräußerung oder ggf. in einem geringeren Verkaufspreis. Dieser Nachteil entspricht nicht dem Kaufpreis, sondern ist mit einem Bruchteil davon zu bewerten.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Jede Verwaltung muss wissen, dass die bisherigen Gemeinschaftsordnungen anders gelesen werden müssen: Wird dort an den Verwalter eine weitere Pflicht herangetragen oder eine gesetzliche ausgestaltet, beispielsweise die Pflicht, hausbezogene Jahresabrechnungen und Wirtschaftspläne zu erstellen, ist in Gedanken das Wort "Verwalter" zu streichen und durch die Worte "Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" zu ersetzen. Diese neue Deutung führt allerdings nicht dazu, dass die Verwaltungen die Aufgaben nicht mehr schultern müssten: Die eigentliche Neuerung besteht darin, dass sie die Aufgaben für einen Dritten erfüllen, nämlich für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und jeweils nur noch als Organ handeln. Dies hat Auswirkungen auf das Prozessrecht, nämlich die Frage, wer bei einer Nichterfüllung zu verklagen ist. Und es hat Auswirkungen auf das Haftungsrecht, nämlich die Frage, wer den Wohnungseigentümern für ein pflichtwidriges Tun einstehen muss.

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