Das Wichtigste in Kürze:

1. Der Verteidiger kann – wie aus § 53 Abs. 1 Nr. 2 folgt – im Verfahren gegen seinen Mandanten Zeuge sein.
2. Ist der Verteidiger als Zeuge vernommen worden, kann er danach wieder als Verteidiger auftreten.
3. Das Gericht darf den Verteidiger an der weiteren Verteidigung nicht dadurch hindern, dass es ihm vor seiner Vernehmung die Anwesenheit im Sitzungssaal nicht gestattet oder indem es ihn nicht als Zeugen gem. § 248 entlässt.
 

Rdn 3788

 

Literaturhinweise:

Bosbach, Der Verteidiger als Zeuge, StraFo 2011, 172

Krause, Einzelfragen zum Anwesenheitsrecht des Verteidigers im Strafverfahren, StV 1984, 169

Rückel, Strafverteidigung und Zeugenbeweis, 1988

s.a. die Hinw. bei → Zeuge, Allgemeines, Teil Z Rdn 4071.

 

Rdn 3789

1.a) Der Verteidiger kann – wie aus § 53 Abs. 1 Nr. 2 folgt – im Verfahren gegen seinen Mandanten Zeuge sein (Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 48 Rn 18; KK-Hadamitzky, vor § 48 Rn 12; Bosbach StraFo 2011, 172 m.w.N.). Er gerät allerdings in eine ähnliche Konfliktlage wie der StA, wenn er später seine eigene Aussage würdigen soll (→ Zeuge, Staatsanwalt als Zeuge, Teil Z Rdn 4146). Ist dieser Konflikt unlösbar, wird teilweise davon ausgegangen, dass ihm dann das Berufsrecht gebietet, die Verteidigung niederzulegen (BVerfG NJW 1963, 1771; Rückel, Rn 88). Zutreffend(er) dürfte es wohl sein, das mit Malek (vgl. Rn 501) einschränkend nur dann anzunehmen, wenn der Aussage des Verteidigers eine so entscheidende Bedeutung zukommt, dass eine Würdigung im Plädoyer nahezu zwingend ist.

 

☆ Die Vernehmung des Verteidigers kommt nur in Betracht, wenn er von seinem Mandanten von der Schweigepflicht entbunden ist (→  Entbindung von der Schweigepflicht , Teil E Rdn  1721 ). Ergibt sich erst in der HV, dass der Verteidiger als Zeuge vernommen werden soll, z.B. um aufzuklären, ob der Angeklagte ihm erst jetzt benannte Entlastungszeugen schon früher genannt hat, muss der Verteidiger darauf achten, dass sein Mandant nicht durch die Aufforderung des Gerichts überrumpelt wird, er möge den Verteidiger von der Schweigepflicht entbinden. In einem solchen Fall empfiehlt es sich, die →  Unterbrechung der Hauptverhandlung , Teil U Rdn  3131 , zu beantragen, um die Frage der Entbindung von der Schweigepflicht in Ruhe mit dem Angeklagten erörtern zu können.Schweigepflicht entbunden ist (→ Entbindung von der Schweigepflicht, Teil E Rdn 1721). Ergibt sich erst in der HV, dass der Verteidiger als Zeuge vernommen werden soll, z.B. um aufzuklären, ob der Angeklagte ihm erst jetzt benannte Entlastungszeugen schon früher genannt hat, muss der Verteidiger darauf achten, dass sein Mandant nicht durch die Aufforderung des Gerichts überrumpelt wird, er möge den Verteidiger von der Schweigepflicht entbinden. In einem solchen Fall empfiehlt es sich, die → Unterbrechung der Hauptverhandlung, Teil U Rdn 3131, zu beantragen, um die Frage der Entbindung von der Schweigepflicht in Ruhe mit dem Angeklagten erörtern zu können.

 

Rdn 3790

b) In der Rspr. des BGH umstritten ist die Frage, ob der Verteidiger auch Zeuge für solche Umstände sein kann, die den sog. "Kernbereich" der Verteidigung betreffen. Dabei kann es sich z.B. um den Inhalt von Gesprächen mit dem Mandanten, die vor der HV geführt worden sind, handeln. Der 5. Strafsenat des BGH hat das verneint (BGH NStZ 2008, 115). Der Inhalt solcher Besprechungen diene lediglich der Vorbereitung der Verteidigung, die der Angeklagte durch Sacheinlassung oder Schweigen gestalten könne. Umstände, die zur Entscheidung über Art und Inhalt der Verteidigungsstrategie führen, seien der "Kognitionspflicht" des Gerichts entzogen. Sofern solche Umstände überhaupt Beweisrelevanz haben, verweist der 5. Strafsenat den Angeklagten auf eine Einlassung, die er ggf. durch eine Erklärung des Verteidigers vorbereiten können (vgl. auch BGHSt 46, 1; zur Kritik an der Argumentation Bosbach StraFo 2012, 172 f., der u.a. darauf verweist, dass offen bleibt, was zum eigentlich "Kernbereich der Verteidigung" zählt). Demgegenüber sieht der 1. Strafsenat des BGH den Verteidiger auch in diesen Fällen als geeigneten Zeugen an, wenn er vom Mandanten von der Schweigepflicht entbunden worden ist, und zwar auch in dem Verfahren, in dem er den Angeklagten verteidigt (BGH StV 2010, 287; → Entbindung von der Schweigepflicht, Teil E Rdn 1721), offen gelassen wird allerdings, was zum Kernbereich der Verteidigung zählt.

 

☆ Grds. wird man sich der Auffassung des 1. Strafsenats des BGH (StV 2010, 287) anschließe n können (a. Malek , Rn 501). Sie ermöglicht einen variablen Umgang in der Frage der Zeugenstellung des Verteidigers. Zudem liegt es grds. in der Hand des Mandanten, ob er den Verteidiger von seiner Schweigepflicht entbindet oder nicht (→  Entbindung von der Schweigepflicht , Teil E Rdn  1721  ff.). Andererseits sind aber auch die Bedenken, die Bosbach (StraFo 20111, 172, 175 f.) äußert nicht von der Hand zu weisen: Es droht die Gefahr, dass ohne Not das geschützte und privilegierte Vertrauensverhältnis preisgegeben wird...

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