Rdn 4953

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Vorschuss vom Auftraggeber (§ 9 RVG), RVGreport 2011, 365

Dahns, Annahme, Ablehnung und Kündigung von Anwaltsverträgen, NJW-Spezial 2007, 333

Onderka, Gebührenabrechnung beim Anwaltswechsel, RVGprofessionell 2006, 137

Ritter, Stolpersteine bei der Mandatsniederlegung, NJW 2015, 2008

s.a. die Hinw. bei → Verteidiger, Allgemeines, Teil V Rdn 4803.

 

Rdn 4954

1. Grds. kann (auch) der Verteidiger das Verteidigungsverhältnis als Dienstvertrag mit besonderem Vertrauenscharakter gem. §§ 626, 627 BGB jederzeit kündigen (s. aber u. Teil V Rdn 4955 f.). Eine Kündigung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn er sich mit dem Mandanten über eine Verteidigungsstrategie nicht einigen kann oder eine Einigung mit dem Mandanten über die Kostenfrage nicht zustande kommt bzw. der Mandant einen Vorschuss nicht zahlt (Burhoff RVGreport 2011, 365; Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber [§ 9], Rn 2591, und Teil A: Vergütungsvereinbarung [§ 3a], Rn 2420, 2492 ff.; → Honorar-/Vergütungsfragen, Teil H Rdn 2688).

2. Der Verteidiger muss bei einer beabsichtigten Mandatsniederlegung Folgendes beachten (zu allem eingehend Dahs, Rn 161 ff.):

 

Rdn 4955

a) Für eine Mandatsniederlegung aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten des Mandanten ist allgemein von Bedeutung:

Die beabsichtigte Mandatsniederlegung muss dem Mandanten vorher angekündigt werden, um ihm Gelegenheit zu geben, seiner Zahlungsverpflichtung nachzukommen und ggf. rechtzeitig einen anderen Verteidiger zu beauftragen (zur Niederlegung des Mandats aus Kostengründen auch Dahs, Rn 1223 ff.; zur Niederlegung aus anderen Gründen Dahs, Rn 161 ff.; zu allem auch OLG Hamm RVGreport 2011, 238; OLG Karlsruhe BRAK.Mitt. 1989, 115; Urt. v. 15.9.2009 – 4 U 192/07, MDR 2010, 415; LG Bremen, Urt. v. 29.5.2020 – 4 S 102/19; Ritter NJW 2015, 2008).
Der Verteidiger wird dem Mandanten daher im Zweifel eine Frist setzen. Er sollte auch prüfen, ob nicht eine Stundung oder Ratenzahlung in Betracht kommt oder ob er ggf. einen Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger stellen sollte (→ Pflichtverteidiger, Allgemeines, Teil P Rdn 3304 m.w.N.).
Nach der Ankündigung bzw. Niederlegung des Mandats muss der Verteidiger darauf achten, dass er sich nicht widersprüchlich verhält. Er darf also z.B. nicht nach Ankündigung der Mandatsniederlegung weitere Informationen beim Mandanten anfordern, da dadurch der Eindruck entsteht, dass er doch weiter für ihn tätig sein wird (vgl. OLG Hamm, a.a.O.).
 

Rdn 4956

b) Der Verteidiger muss auf den "richtigen Zeitpunkt" achten, was zur Folge hat:

Der Verteidiger darf das Mandat nicht zur Unzeit kündigen. Das ist z.B. aber dann der Fall, wenn er das Mandat so kurzfristig vor der HV niederlegt, dass der Beschuldigte keinen anderen Verteidiger mehr beauftragen kann und damit eine ordnungsgemäße Verteidigung nicht mehr gewährleistet ist (Ritter NJW 2015, 2008). Kündigt der Verteidiger zu kurz vor einem Termin, kann er verpflichtet bleiben, den Termin für den Mandanten noch wahrzunehmen (OLG Hamm RVGreport 2011, 238) Dem Mandanten muss eine ausreichende Gelegenheit verbleiben, seine Rechte noch selber wahrzunehmen oder einen anderen Rechtsanwalt zu beauftragen (OLG Hamm, a.a.O.; OLG Karlsruhe BRAK-Mitt. 1989, 115).

 

☆ Häufig versuchen Wahlverteidiger – aus Kostengründen –, ihre Bestellung als Pflichtverteidiger dadurch zu erzwingen , dass sie das Wahlmandat erst so kurz vor Beginn oder sogar erst in der (umfangreichen) HV niederlegen, dass dem Vorsitzenden, wenn er die HV retten will, keine andere Möglichkeit bleibt, als den Verteidiger zum Pflichtverteidiger zu bestellen (zur Pflichtverteidigerbestellung in der HV Burhoff , HV, Rn 2133 ff.). Dieses Verhalten ist berufswidrig , wenn der Verteidiger schon früher wusste, dass z.B. der Mandant die Kosten nicht würde zahlen können ( Meyer-Goßner/Schmitt , vor § 137 Rn 6; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 1996, 236), allerdings liegt darin noch keine so schwere Verfehlung, dass sie dem Fortbestand der Bestellung zum Pflichtverteidiger entgegenstehen würde (OLG Frankfurt am Main, a.a.O.). Der Verteidiger muss in diesen Fällen aber damit rechnen, dass ihm nach § 145 Abs. 4 die Kosten auferlegt werden, wenn der Vorsitzende aus triftigen Gründen einen anderen Pflichtverteidiger bestellt und deshalb die Aussetzung der HV erforderlich ist (vgl. u.a. OLG Düsseldorf AnwBl 1972, 63; OLG Koblenz MDR 1975, 773; a.A. OLG Bamberg StV 1989, 470; zur Aussetzung der HV wegen Ausbleibens des Verteidigers s.a. Burhoff , HV, Rn 486 ff.).Bestellung als Pflichtverteidiger dadurch zu "erzwingen", dass sie das Wahlmandat erst so kurz vor Beginn oder sogar erst in der (umfangreichen) HV niederlegen, dass dem Vorsitzenden, wenn er die HV "retten" will, keine andere Möglichkeit bleibt, als den Verteidiger zum Pflichtverteidiger zu bestellen (zur Pflichtverteidigerbestellung in der HV Burhoff, HV, Rn 2133 ff.). Dieses Verhalten ist berufswidrig, wenn der Verteidiger schon früher wusste, dass z.B. der Mandant d...

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