Das Wichtigste in Kürze:

1. Das Verbot der Mehrfachverteidigung soll den Beschuldigten vor einem Interessenwiderstreit in der Person seines Verteidigers schützen.
2. Verteidiger i.S.d. § 146 ist sowohl der Wahlverteidiger als auch der Pflichtverteidiger.
3. Das Verbot gilt in allen Verfahrensabschnitten, also auch schon im EV.
4. Nach § 146 S. 1 gilt das Verbot bei Tatidentität.
5. § 146 S. 2 verbietet die Mehrfachverteidigung bei Verfahrensidentität.
6. Verboten ist nach § 146 nur die gleichzeitige Verteidigung mehrerer Beschuldigter, zulässig ist jedoch die sog. sukzessive Mehrfachverteidigung.
7. Der Verstoß gegen § 146 führt ggf. zur Unzulässigkeit einer der Verteidigungen.
 

Rdn 4926

 

Literaturhinweise:

Beulke, Verbot der gemeinschaftlichen Verteidigung nur bei konkreter Interessenkollision?, NStZ 1985, 289

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Dahs, Parteiverrat im Strafprozeß, NStZ 1991, 561

Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat und berufsrechtliches Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, 2008

ders., Interessenkollision und gemeinschaftliche Berufsausübung – was gilt, AnwBl 2009, 170

ders., Tätigkeitsverbote des Anwalts: Rechtsfolgen beim Verstoß – Straf-, berufs-, prozess- und zivilrechtliche Fragen bei Interessenkollision und Inkompatibilität, AnwBl. 2010, 221

Dietenmaier, Das Verbot der gemeinschaftlichen Verteidigung: § 146 StPO, 1999

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ders., Die Interessenkollision im Strafverfahren, StraFo 1998, 145

Hartung, Ist die Vertretung widerstreitender Interessen künftig erlaubt? – Ein Beitrag zur Neufassung des § 3 BerufsO, NJW 2006, 2721

Kleine-Cosack, Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch Mitglieder einer Sozietät, StraFo 1998, 149

ders., Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch Mitglieder einer Sozietät, AnwBl 1998, 417, ders., Sozietätserstreckung des Verbots der Interessenkollision. Satzungsversammlung beschließt Neuregelung des § 3 BerufsO, AnwBl 2006, 13

Lampe, Sockelverteidigung

1999

E. Müller, Die Sockelverteidigung, StV 2001, 649

W. Müller, Zum Begriff der Tatidentität im Sinne des § 146 StPO bei der Verteidigung mehrerer Beschuldigter in getrennten Verfahren, StV 1981, 196

Nestler-Tremel, Die durch das StVÄG 1987 gebotene Neuorientierung beim Verbot der Mehrfachverteidigung gem. §§ 146, 146a StPO, NStZ 1988, 103

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Richter II, Sockelverteidigung, Voraussetzung, Inhalte und Grenzen der Zusammenarbeit von Verteidigern verschiedener Beschuldigter, NJW 1993, 2152

Richter II/Tsambikakis, Sockelverteidigung, MAH § 17

Scharmer, Die Selbstentkernung der Anwaltschaft – Zur Neufassung von § 3 Abs. 2 BerufsO, BRAK-Mitt. 2006, 150

Streck, Probleme der gemeinschaftlichen Verteidigung (§ 146 StPO) in Steuerstrafsachen, MDR 1978, 893

Wasmuth, Honoraranspruch des Verteidigers im Fall der Mehrfachverteidigung?, NStZ 1989, 348

Westerwelle, Interessenkollision nach der neuen Berufsordnung, NJW 1997, 2781

ders., Rechtsanwaltssozietäten und das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen

s.a. die Hinw. bei → Verteidiger, Allgemeines, Teil V Rdn 4803.

 

Rdn 4927

1. § 146 untersagt die gleichzeitige Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch einen Verteidiger (§ 146 S. 1; zur Tatidentität s. Teil V Rdn 4935) bzw. die gleichzeitige Verteidigung mehrerer verschiedener Taten Beschuldigter in einem Verfahren (§ 146 S. 2; zur Verfahrensidentität s. Teil V Rdn 4938). Das Verbot soll den Beschuldigten vor einem Interessenwiderstreit seines Verteidigers schützen (zuletzt BVerfG NJW 2016, 2099 m.w.N.). Ob tatsächlich ein Interessenwiderstreit besteht, ist unerheblich (BGHSt 27, 22 ff.; ­Meyer-Goßner/Schmitt, § 146 Rn 8 m.w.N.; dazu auch Beulke NStZ 1985, 289).

 

Rdn 4928

Vor der Änderung des § 146 durch das StVÄG hatte die Rspr. auch die sukzessive Mehrfachverteidigung (Teil V Rdn 4939) für unzulässig gehalten. Diese ist jedoch nicht mehr verboten (BGH NStZ 1994, 500; NStZ-RR 2002, 12). Die Vorschrift des § 146 wird – auch schon in ihrer früheren Fassung – als verfassungsgemäß angesehen (BVerfG NJW 1975, 1013; 1977, 1767).

 

Rdn 4929

2.a) Verteidiger i.S.d. § 146 ist

der Wahlverteidiger oder der Pflichtverteidiger, wenn er bereits Verteidiger eines Mitbeschuldigten ist (BGHSt 26, 335; 27, 22),
auch, wer nur als Unterbevollmächtigter oder allgemeiner Vertreter nach § 53 Abs. 1, 2 BRAO die Verteidigung führen soll (BGHSt 27, 154, 158),
auch der Vertreter eines Nebenbeteiligten nach §§ 444 Abs. 2 S. 2, 442 Abs. 1, 434 Abs. 1 (Meyer-Goßner/Schmitt, § 146 Rn 11).
Das gilt auch für Mitglieder einer Sozietät, wenn sich alle Mitglieder als Verteidiger bestellt haben (Meyer-Goßner/Schmitt, § 146 Rn 8 m.w.N.). Zulässig ist es aber, dass von den in der Sozietät zusammengeschlossenen Rechtsanwälten aufgrund entsprechender Einzelvollmachten jeder einen anderen Mitbeschuldigten verteidigt (BVerfG NJW 1977, 99; OLG Karlsruhe NStZ 1999, 212; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a...

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