Rdn 3608

 

Literaturhinweise:

Jessnitzer, Zur Verwertung des schriftlichen Berichts des Blutentnahmearztes im Strafverfahren, BA 1970, 473

Kuhlmann, Nochmals: Zur Verwertung des schriftlichen Berichts des Blutentnahmearztes, BA 1971, 276

Molketin, Blutentnahmeprotokoll, Ärztlicher Befundbericht und Blutalkoholgutachten im Strafverfahren, BA 1989, 124.

 

Rdn 3609

1. § 256 Abs. 1 Nr. 3 (vgl. Teil V Rdn 3612) und Nr. 4 (Teil V Rdn 3610 f.) erlauben die Verlesung sog. sonstiger – im Einzelnen aufgezählter – (Routine-) Gutachten und Berichte. Bei diesen Gutachten braucht es sich nicht um die einer öffentlichen Behörde oder eines Arztes im gerichtsärztlichen Dienst zu handeln.

 

Rdn 3610

2. Das Gutachten über die Auswertung eines Fahrtschreiberdiagramms darf nach § 256 Abs. 1 Nr. 4 verlesen werden, soweit es die Ablesung und Auswertung des Aufzeichnungsergebnisses zum Inhalt hat und das Ergebnis dahin ausgewertet worden ist, ob der Fahrtschreiber einwandfrei gearbeitet hat. Nicht verlesen werden darf ein Gutachten, das allgemein die Funktionsweise des Gerätes beschreibt (OLG Celle JR 1978, 122).

 

Rdn 3611

3. Die eine Blutprobe auswertenden Gutachten (§ 256 Abs. 1 Nr. 4) sind auch insoweit verlesbar, wie sie sich zur Qualität der Blutprobe äußern (Meyer-Goßner/Schmitt, § 256 Rn 25). I.d.R. reicht die Verlesung des Gutachtens (BGHSt 28, 235 f.). Verlesbar ist auch ein aus/zu einer Blutprobe gewonnener Untersuchungsbefund, wenn anstatt eines approbierten Arztes ein Medizinalassistent die Blutprobe entnommen hat, der Polizeibeamte, der die Blutentnahme anordnete, diesen aber für einen Arzt hielt (BGHSt 24, 125).

 

☆ Es kann allerdings gem. § 244 Abs. 2 die Vernehmung eines SV erforderlich sein, z.B. wenn für die Bestimmung des Blutalkoholgehalts Fragen der Rückrechnung von Bedeutung sind (zur Revisionsrüge, wenn der Verteidiger der Auffassung ist, ein Blutalkoholgutachten sei nicht ordnungsgemäß in die HV eingeführt worden, OLG Düsseldorf StV 1995, 120).Vernehmung eines SV erforderlich sein, z.B. wenn für die Bestimmung des Blutalkoholgehalts Fragen der Rückrechnung von Bedeutung sind (zur Revisionsrüge, wenn der Verteidiger der Auffassung ist, ein Blutalkoholgutachten sei nicht ordnungsgemäß in die HV eingeführt worden, OLG Düsseldorf StV 1995, 120).

 

Rdn 3612

4. Verlesbar sind nach § 256 Abs. 1 Nr. 3 auch ärztliche Berichte über Blutprobenentnahmen, wenn sie erkennen lassen, von wem sie stammen (BayObLG StV 1989, 6; OLG Bamberg, Beschl. v. 6.2.2015 – 3 Ss OWi 22/16), was sich auch aus der dem Bericht beigefügten Liquidation des blutentnehmenden Arztes ergeben kann (BGH StraFo 2007, 331). Diese Berichte enthalten die Tatsachen über Ort, Zeitpunkt und Verhalten des Angeklagten bei der Blutprobenentnahme, die als Anknüpfungstatsachen für ein SV-Gutachten über die Schuldfähigkeit oder Fahrtüchtigkeit von Bedeutung sind (vgl. BGH DAR 1979, 186 [Sp]; zu allem Jessnitzer BA 1970, 473; Kuhlmann BA 1971, 276 und Molketin BA 1989, 124). Die Berichte können auch durch die Vernehmung des SV verwertet werden (BayObLG StV 2003, 152).

 

Rdn 3613

5. Durch das "Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs" v. 5.7.2017 ist mit Wirkung ab 1.1.2018 § 256 Abs. 1 erweitert worden. Nach § 256 Abs. 1 Nr. 6 können nun auch "Übertragungsnachweise und Vermerke nach § 32e Abs. 3" verlesen werden. Diese Erweiterung war Folge der Einführung der elektronischen Akte (§ 32a) auch im Strafverfahren. In dem Zusammenhang bestimmt § 32e betreffend die "Übertragung von Dokumenten zu Aktenführungszwecken", dass bei der Übertragung eines nicht elektronischen Ausgangsdokuments in ein elektronisches Dokument dieses mit einem Übertragungsnachweis zu versehen ist, der das bei der Übertragung angewandte Verfahren und die bildliche und inhaltliche Übereinstimmung dokumentiert (§ 32e Abs. 3 S. 1). Nach § 32e Abs. 3 S. 3 muss bei der Übertragung eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen oder auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereichten elektronischen Ausgangsdokuments in den Akten vermerkt werden, welches Ergebnis die Prüfung der Authentizität und Integrität des Ausgangsdokuments erbracht hat.

 

Rdn 3614

§ 256 Abs. 1 Nr. 6 geht davon aus, dass es der Zeugenvernehmung einer Person, die einen solchen Umwandlungsvermerk nach § 32e Abs. 3 gefertigt hat, nicht bedürfen soll und die Verlesung des Vermerks ausreicht. Damit ist die Vernehmung der an dem Übertragungsvorgang nach § 32e beteiligten Personen i.d.R. nicht erforderlich (BT-Drucks. 18/9416, S. 63). Sie bleibt jedoch gleichwohl möglich, auch wenn eine solche Vernehmung in der Praxis nur selten zu einem Erkenntnisgewinn führen wird (BT-Drucks., a.a.O.).

Siehe auch: → Verlesung von ärztlichen Attesten, Teil V Rdn 3449; → Verlesung von Behördengutachten, Teil V Rdn 3461.

[Autor] Burhoff

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