Das Wichtigste in Kürze:

1. Nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 dürfen auch Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen verlesen werden, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben.
2. Erfasst werden Protokolle und Vermerke über Routinevorgänge, wie Beschlagnahme, Spurensicherung, Durchführung einer Festnahme, Sicherstellungen, Hausdurchsuchungen, Wiegen sichergestellter Betäubungsmittel usw.
3. Ausdrücklich ausgeschlossen ist nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 letzter Hs. die Verlesung von solchen Protokollen oder Erklärungen, die eine Vernehmung zum Gegenstand haben.
4. Der Verteidiger muss sich frühzeitig mit der Möglichkeit der Verlesung eines SV-Gutachtens beschäftigen und ggf. der vom Vorsitzenden angeordneten Verlesung widersprechen.
 

Rdn 3515

 

Literaturhinweise:

Breyer, StPO: Justizmodernisierungsgesetz, Die 12 wichtigsten Änderungen im Strafverfahren, PA 2004, 174

Burhoff, Verfahrensrechtliche Änderungen im Strafverfahren durch das 1. JuMoG und das OpferRRG, ZAP F. 22, S. 389

Hirtz/Sommer, 1. Justizmodernisierungsgesetz, 2004

Knauer/Wolf, Zivilprozessuale und strafprozessuale Änderungen durch das Erste Justizmodernisierungsgesetz – Teil 2: Änderungen der StPO, NJW 2004, 2932

Neuhaus, Die Änderungen der StPO durch das Erste Justizmodernisierungsgesetz vom 24.8.2004, StV 2005, 47

Sommer, Moderne Strafverteidigung – Strafprozessuale Änderungen des Ersten Justizmodernisierungsgesetzes, AnwBl. 2004, 506

ders., Moderne Strafverteidigung – Strafprozessuale Änderungen des Ersten Justizmodernisierungsgesetzes, StraFo 2004, 295

s.a. die Hinw. bei → Urkundenbeweis, Allgemeines, Teil U Rdn 3162.

 

Rdn 3516

1. Die StPO sah früher keine Möglichkeit vor, Protokolle oder Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungsvorgänge zu verlesen. Daher wurde die Verlesung von Mitteilungen über Ermittlungsvorgänge, die aus Anlass des Verfahrens entstanden sind, als unzulässig angesehen (vgl. z.B. BGH NStZ 1982, 79 für Verlesung eines polizeilichen Observationsberichts]; NStZ 1995, 143 für Verlesung eines Polizeiberichts über eine Fluchtwegmessung]; BayObLG StV 2000, 9 für polizeilichen Ermittlungsbericht]). Eine "geradezu radikale Änderung" (Knauer/Wolf NJW 2004, 2932, 2936) hat dann das 1. JuMoG gebracht. Nach (dem dadurch eingeführten) § 256 Abs. 1 Nr. 5 dürfen seitdem auch Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen verlesen werden, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben. Damit ist eine Entlastung der Strafverfolgungsbehörden und der HV bezweckt (BT-Drucks. 15/1508, S. 26).

 

☆ Diese Regelung ist zu Recht erheblich kritisiert worden (vgl. u.a. Knauer/Wolf , a.a.O.; Neuhaus StV 2005, 52; Sommer AnwBl. 2004, 298; Hirtz/Sommer , 1. Justizmodernisierungsgesetz, S. 93; besonders krit. die Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen, S. 9 und die Stellungnahme von BRAK/DAV zum strafprozessualen Teil des JuMoG, S. 10; s.a. noch a. Krüger StV 2015, 546 in der Anm. zu LG Berlin StV 2015, 544). Sie schränkt nämlich den Grundsatz der Unmittelbarkeit erheblich ein, weil die einzelnen Maßnahmen der Ermittlungsbeamten nicht mehr durch Vernehmung der Polizisten als Zeugen, sondern vor allem durch Verlesung der polizeilichen Vermerke in den Prozess eingeführt werden können/sollen. Die Befragung des Zeugen ist aber häufig notwendig, weil sich nur so Widersprüche aufklären lassen und durch weitere Nachfragen konkrete Entlastungs- und – aus Sicht der StA – ggf. auch Belastungsmomente gewinnen lassen ( Knauer/Wolf , a.a.O.).erheblich kritisiert worden (vgl. u.a. Knauer/Wolf, a.a.O.; Neuhaus StV 2005, 52; Sommer AnwBl. 2004, 298; Hirtz/Sommer, 1. Justizmodernisierungsgesetz, S. 93; besonders krit. die Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen, S. 9 und die Stellungnahme von BRAK/DAV zum strafprozessualen Teil des JuMoG, S. 10; s.a. noch a. Krüger StV 2015, 546 in der Anm. zu LG Berlin StV 2015, 544). Sie schränkt nämlich den Grundsatz der Unmittelbarkeit erheblich ein, weil die einzelnen Maßnahmen der Ermittlungsbeamten nicht mehr durch Vernehmung der Polizisten als Zeugen, sondern vor allem durch Verlesung der polizeilichen Vermerke in den Prozess eingeführt werden können/sollen. Die Befragung des Zeugen ist aber häufig notwendig, weil sich nur so Widersprüche aufklären lassen und durch weitere Nachfragen konkrete Entlastungs- und – aus Sicht der StA – ggf. auch Belastungsmomente gewinnen lassen (Knauer/Wolf, a.a.O.).

 

Rdn 3517

2.a) § 256 Abs. 1 Nr. 5 erlaubt die Verlesung von Protokollen sowie in einer Urkunde enthaltenen Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben (dazu a. Krüger StV 2015, 546 in der Anm. zu LG Berlin StV 2015, 544). Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1508, a.a.O.) geht davon aus, dass in diesen Fällen der Polizeibeamte oder Angehörige der Strafverfolgungsbehörde in der HV i.d.R. kaum mehr beku...

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