Das Wichtigste in Kürze:

1. Nach den Änderungen durch das 1. JuMoG ist seit 2004 gem. § 59 die Nichtvereidigung eines Zeugen auch gesetzlich die Regel, die Vereidigung hingegen die Ausnahme.
2. Kommt es zur Vereidigung, wird der Zeuge nach seiner Vernehmung vereidigt, und zwar nach deren endgültigem Abschluss.
3. Über die Vereidigung ist von Amts wegen zu entscheiden, und zwar spätestens bis zum Schluss der Beweisaufnahme.
4. Die unterlassene Entscheidung über die Vereidigung kann das Gericht bis zum Urteilserlass nachholen.
5. Nach § 59 Abs. 1 S. 1 werden Zeugen nur vereidigt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält.
6. Fraglich ist, ob das Gericht die Vereidigungsentscheidung begründen muss.
 

Rdn 3260

 

Literaturhinweise:

Diehm, Die Entscheidung über die Nichtvereidigung im Strafprozeß, StV 2007, 444

Hirtz/Sommer, 1. Justizmodernisierungsgesetz, 2004

Klemke, Das Vereidigungsrecht nach dem sog. "Justizmodernisierungsgesetz" – eine Herausforderung für die Verteidigung – Ergänzende Anmerkungen zu dem Beitrag von Schuster, StV 2005, S. 628 ff., StV 2006, 158

Knauer/Wolf, Zivilprozessuale und strafprozessuale Änderungen durch das Erste Justizmodernisierungsgesetz – Teil 2: Änderungen der StPO, NJW 2004, 2932

Neuhaus, Die Änderungen der StPO durch das Erste Justizmodernisierungsgesetz vom 28.4.2004, StV 2005, 47

Park, Die Vereidigung von Zeugen im Strafprozeß, JuS 1998, 1039

Peglau/Wilke, Änderungen im strafprozessualen Vereidigungsrecht durch das Justizmodernisierungsgesetz, NStZ 2005, 186

Schuster, Das neue Vereidigungsrecht nach dem Justizmodernisierungsgesetz aus revisionsrechtlicher Sicht, StV 2005, 628

Sommer, Moderne Strafverteidigung – Strafprozessuale Änderungen des Ersten Justizmodernisierungsgesetzes, AnwBl. 2004, 506

ders., Moderne Strafverteidigung – Strafprozessuale Änderungen des Ersten Justizmodernisierungsgesetzes, StraFo 2004, 295

Strate, Der Verzicht auf die Vereidigung – eine schädliche Unsitte, StV 1984, 42

s.a. die Hinw. bei → Vereidigungsverbot, Teil V Rdn 3274.

 

Rdn 3261

1. Bis zum Inkrafttreten des 1. JuMoG war aufgrund des in der Praxis gem. § 61 Nr. 5 a.F. üblichen wechselseitigen → Vereidigungsverzichts, Teil V Rdn 3288, die Nichtvereidigung eines Zeugen die Regel und seine Vereidigung die Ausnahme. Das 1. JuMoG hat dem im Jahr 2004 Rechnung getragen und die Gesetzeslage an diese Prozesswirklichkeit angepasst. Danach ist gem. § 59 nun die Nichtvereidigung eines Zeugen auch gesetzlich die Regel, die Vereidigung hingegen die Ausnahme (vgl. dazu u. Teil V Rdn 3272; insoweit zust., i.Ü. aber krit. Knauer/Wolf NJW 2004, 2932; krit. a. Neuhaus StV 2005, 47, 48; Hirtz/Sommer, 1. Justizmodernisierungsgesetz, S. 65 f.). Insgesamt dürfte das mit dieser (Neu-)Regelung angestrebte Ziel der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung erreicht worden sein, auch wenn in einer streitigen Verhandlung nach wie vor (zeitraubende) Auseinandersetzungen um die Frage der Vereidigung eines Zeugen nicht ausgeschlossen sind (Hirtz/Sommer, a.a.O.).

 

Rdn 3262

2.a) Soll ein Zeuge vereidigt werden, wird er nach seiner Vernehmung vereidigt, und zwar nach deren endgültigem Abschluss (BGHSt 8, 302, 310; 48, 221; StV 2011, 454). Wird ein Zeuge in einem späteren Abschnitt der Hauptverhandlung nochmals zur Sache vernommen, muss erneut über die Vereidigung entschieden werden (BGH, a.a.O.; NStZ-RR 2013, 68 [Ci/Zi]; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 1996, 363; OLG Hamburg StV 1990, 257 [weitere Ausführungen des zuvor als Zeuge vernommenen Nebenklägers zur Sache sind Zeugenaussagen]). Eine unterschiedliche Entscheidung über die Vereidigung eines Zeugen kommt – auch bei einer wiederholten Vernehmung – grds. nicht in Betracht, etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn die Teile der Aussage verschiedene Taten betroffen haben (BGH, a.a.O.). Allerdings gilt das dann nicht, wenn die Taten in einem inneren Zusammenhang stehen (BGH, a.a.O.).

 

Rdn 3263

b) Mehrere Zeugen sind einzeln zu vereidigen (§ 59 Abs. 2), jedoch dürfen die die Eidesnorm enthaltenden Worte an alle gerichtet werden (Meyer-Goßner/Schmitt, § 64 Rn 2 m.w.N.).

 

Rdn 3264

c) Vor der Vereidigung ist der Zeuge über sein Recht, ggf. gem. § 61 als Angehöriger den Eid verweigern zu können, zu belehren (zum Umfang der Belehrungspflicht im Hinblick auf Zwangsmaßnahmen nach § 70 gegen den Zeugen s. OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 169 m.w.N.), und zwar auch dann, wenn er über sein ZVR belehrt worden ist (BGH NStZ 2008, 171).

 

☆ Das Unterlassen der Belehrung begründet i.d.R. die Verfahrensrüge (BGH StV 2002, 465; ähnl. BGH NStZ 2001, 604; s.a. Albrecht StV 2002, 465 in der Anm. zu BGH StV 2002, 465). Allerdings kann das Beruhen des Urteils auf dem Unterlassen der gebotenen Belehrung dann ausgeschlossen werden, wenn mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der Zeuge auch ohne Belehrung über sein Verweigerungsrecht den Eid geleistet hätte (BGH NStZ 2008, 171).Verfahrensrüge (BGH StV...

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