Rz. 540

Seit dem 1.1.2009 gilt ein neues Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht. Zuvor hatte das BVerfG das bisherige Erbschaftsteuerrecht in seiner Entscheidung vom 7.11.2006 für verfassungswidrig erklärt.[829] Der Gesetzgeber war verpflichtet, spätestens bis zum 31.12.2008 eine Neuregelung zu treffen. Bis zum Inkrafttreten der Reform der Erbschaftsteuer zum 1.1.2009 war das bisherige Recht weiter anwendbar.

 

Rz. 541

Das BVerfG hat in der zitierten Entscheidung insbesondere die bisherige uneinheitliche Wertermittlung in Bezug auf verschiedene Vermögensgegenstände bemängelt. Die sich daraus ergebende unterschiedliche Bewertung stelle eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Nach Ansicht des BVerfG setzt eine gleichmäßige Belastung aller Steuerpflichtigen voraus, dass der Wert des beim jeweiligen Empfänger mit dem Erbfall oder der Schenkung anfallenden Vermögenszuwachses zunächst realitätsgerecht abgebildet wird. Dies sei nur dann gewährleistet, wenn sich das Gesetz auf der Bewertungsebene einheitlich am gemeinen Wert (Verkehrswert) als dem maßgeblichen Bewertungsmaßstab orientiere. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass es dem Gesetzgeber unbenommen sei, in einem zweiten Schritt bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage steuerliche Lenkungsziele zu verwirklichen und es bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, den Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände mittels Verschonungsregelungen zu begünstigen. Das übertragene Vermögen wird nach aktueller Rechtslage entsprechend der Vorgabe des BVerfG einheitlich mit dem Verkehrswert (bzw. einem Annäherungswert) bewertet. Dies führt tendenziell zu einer erheblich höheren Steuerbemessungsgrundlage als vor der Reform. Durch Begünstigungsregeln kann es in einem weiteren Schritt insbesondere für Betriebsvermögen und Immobilien zu einer weitgehenden Verschonung kommen.

3.1.1 Voraussetzungen der Steuerpflicht nach dem ErbStG

 

Rz. 542

In sachlicher Hinsicht führt die Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung oder eine Zustiftung zu einer solchen zu einer unentgeltlichen Zuwendung von Vermögen an eine andere (juristische) Person, die Stiftung. Vermögensübertragungen an eine Stiftung gelten daher als Erwerb von Todes wegen bzw. Schenkung unter Lebenden im Sinne des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts.

 

Rz. 543

Die Erbschaftsteuerpflicht für Zuwendungen aufgrund einer Stiftung von Todes wegen ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG. Unerheblich ist für erbschaftsteuerliche Zwecke, ob der Erblasser die Errichtung der Stiftung unmittelbar angeordnet hat, oder ob ein Erbe aufgrund einer ihn beschwerenden Auflage des Erblassers die Stiftung durch eigenes Stiftungsgeschäft unter Lebenden errichten muss (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Nr. 2 ErbStG).[830]

Für den Fall, dass eine bereits bestehende Stiftung durch Erbeinsetzung oder Vermächtnisanordnung bedacht wird, ordnet § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG die Erbschaftsteuerpflicht einer Zustiftung von Todes wegen an; beruht die Zuwendung auf einer Auflage, greift der Steuertatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG.

 

Rz. 544

Wird die Stiftung bereits zu Lebzeiten des Stifters errichtet, wird die Übertragung der Erstausstattung seitens des Steuergesetzgebers als Schenkung unter Lebenden qualifiziert.[831] Sie ist daher gem. § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG schenkungsteuerpflichtig.

Die lebzeitige Zustiftung unterliegt regelmäßig als freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) der Schenkungsteuer. Hat der Stifter im Stiftungsgeschäft bereits hinreichend konkretisierte Verpflichtungen zu weiteren Zuwendungen übernommen, so liegt in der Erfüllung dieser Verpflichtungen ein steuerpflichtiger Erwerbsvorgang nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG.[832] An der die Schenkungsteuerpflicht begründenden Freigebigkeit fehlt es dagegen, wenn die Zustiftung objektiv oder subjektiv entgeltlich erfolgt.[833]

 

Rz. 545

Die objektive Unentgeltlichkeit entfällt, wenn der Vermögenshingabe eine äquivalente Gegenleistung gegenübersteht.[834] Hierzu zählen jedoch nicht die satzungsmäßigen Leistungen, die von der Stiftung an den Stifter oder Dritte zu erbringen sind.[835]

Demgegenüber können Versorgungsleistungen, die nicht in der Satzung vorgesehen sind, sondern anlässlich der Zustiftung auferlegt oder vereinbart werden und mit der Zuwendung verknüpft sind, als Gegenleistungen zu bewerten sein.[836] Übersteigt der Verkehrswert des zugestifteten Vermögens den Verkehrswert der Versorgungsleistungen, so handelt es sich um eine teilentgeltliche Zuwendung, deren Wert im Wege einer Verhältnisrechnung zu ermitteln ist.[837] Das Gleiche gilt, wenn von der Stiftung in rechtlichem Zusammenhang mit der Zustiftung Abstands- oder Ausgleichszahlungen zu erbringen sind.[838]

 

Rz. 546

In persönlicher Hinsicht reicht es zur Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht aus, wenn entweder der Stifter als Erblasser bzw. Schenker oder die empfangende Stiftung als Erwerberin im Inland Wohnsitz (§ 8 AO), gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) oder Sitz (§ 11 AO) ha...

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