Rz. 351

Anders als die Förderung gemeinnütziger Zwecke setzt die Verfolgung mildtätiger Zwecke nach der Rechtsprechung und nach überwiegender Auffassung im Schrifttum nicht die Förderung der Allgemeinheit voraus.[453] Nach § 53 AO verfolgt eine Körperschaft steuerbegünstigte mildtätige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, bestimmte Personen selbstlos zu unterstützen. Nach der insofern restriktiven Verwaltungsauffassung soll jedoch kein mildtätiger Zweck gegeben sein, wenn der Satzungszweck der Körperschaft auf die Unterstützung von hilfsbedürftigen Verwandten der Mitglieder, Gesellschafter, Genossen oder Stifter gerichtet ist.[454] In diesen Fällen stünde nicht "die Förderung mildtätiger Zwecke, sondern die Förderung der Verwandtschaft im Vordergrund".[455] Es fehle mithin am Erfordernis selbstlosen Handelns im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 AO.

 

Rz. 352

Die von der Finanzverwaltung vertretene Rechtsauffassung überzeugt nicht.[456] Im Unterschied zur Gemeinnützigkeit nach § 52 AO setzt die Verfolgung mildtätiger Zwecke nach § 53 AO allerdings keine Förderung der Allgemeinheit voraus. Nach der Grundwertung des § 53 AO stellt der Kreis der Geförderten keinen Ausschnitt aus der Allgemeinheit dar. Er kann damit auch willkürlich – etwa nach verwandtschaftlicher Bindung – festgelegt werden. Der Einwand der Finanzverwaltung, es fehle in diesen Fällen an dem Erfordernis des selbstlosen Handelns, ist nicht gerechtfertigt. Ein eigennütziges Handeln liegt bei der Unterstützung bedürftiger Verwandter für sich genommen nur dann vor, wenn dadurch eigene gesetzliche Unterhaltspflichten abgewendet werden sollen (vgl. § 1601 BGB). Fehlt es dagegen an einer gesetzlichen Unterhaltspflicht – wie es etwa zwischen Geschwistern der Fall ist – kann aus dem Verwandtschaftsverhältnis nicht auf eine fehlende Selbstlosigkeit geschlossen werden.[457] Im Rahmen der tatsächlichen Geschäftsführung ist die Unterstützung hilfsbedürftiger Angehöriger auch nach Verwaltungsauffassung jedenfalls solange unschädlich, wie die Verwandtschaft selbst kein Kriterium der Förderung darstellt.[458]

[453] BFH, Urteil v. 2.12.1955, III 99/55 U, BStBl 1956 III S. 22; Seer, in Tipke/Kruse, § 53 Rn. 1; Leisner-Egensperger, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 53 Rn. 15; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 3 Rn. 160; Wallenhorst/Halaczinsky, D Rn. 7; Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 110.
[456] Vgl. Hartmann, in Strachwitz/Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, S. 400, 401; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 3 Rn. 161.
[457] Ebenso Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 3 Rn. 162; ders., FR 2002, S. 1337, 1338; ähnlich Leisner, DB 2005, S. 2434, 2436.

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