Leitsatz (amtlich):

Zur haftungsausfüllenden Kausalität, wenn ein Steuerberater seine Pflicht verletzt, den Mandanten auf die Folgen hinzuweisen, die sich aus dem umsatzsteuerfreien Verkauf eines Grundstücks für den Vorsteuerabzug ergeben.

 

Zum Tatbestand

Der Beklagte betreute die Klägerin über einen längeren Zeitraum steuerlich. Mit Vertrag vom 24.3.1993 veräußerte die Klägerin einen Teil ihres Grundbesitzes an die K. R. GmbH & Co. KG für 7,2 Mio. DM. In einem weiteren, am selben Tag geschlossenen "Werkvertrag" übertrug sie der Firma H. K. S. die Altlastensanierung, zu der sich die Klägerin im Grundstückskaufvertrag verpflichtet hatte, zum Pauschalpreis von 800 000 DM, in dem 104 347,83 DM USt enthalten und ausgewiesen waren. Auf dem verkauften Grundstücksteil befand sich eine bis dahin vermietete Lackierhalle. Die Mieteinkünfte hatte die Klägerin der USt unterworfen. In der steuerfreien Veräußerung des Teilgrundstücks sah das Finanzamt eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a UStG. Es erließ deshalb am 5.7.1996 einen geänderten USt-Bescheid für 1993, in dem Vorsteuer für 1991 bis 1993 in Höhe von 111 472,01 DM zurückgefordert wurden. Den Vorsteuerabzug in Höhe der im Werklohn von 800 000 DM enthaltenen USt von 104 347,83 DM lehnte das Finanzamt mit der Begründung ab, die Sanierung stehe mit dem steuerfreien Verkauf des Grundstücks "in Verbindung".

Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, er habe sie fehlerhaft beraten. Sie hat ihn mit der Begründung, er hätte ihr empfehlen müssen, den Grundstücksverkauf der USt zu unterwerfen, auf Ersatz des Rückforderungsbetrags von 111 472,01 DM zuzüglich vom Finanzamt festgesetzter Zinsen in Höhe von 8 580 DM sowie der nicht zum Vorsteuerabzug zugelassenen 104 347,83 DM in Anspruch genommen. Das LG hat der Zahlungsklage hinsichtlich der beiden erstgenannten Beträge (zusammen 120 052,01 DM) stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Klage, nachdem die Klägerin statt Zahlung der 120 052,01 DM Freistellung "von ihren Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt … aus der Rückforderung von Vorsteuerbeträgen" verlangt und im Übrigen einen Feststellungsantrag gestellt hatte, insgesamt abgewiesen.

 

Aus den Entscheidungsgründen

I.

Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte seine Pflichten als Steuerberater dadurch verletzt, dass er die Klägerin nicht vor Abschluss der Verträge auf die Folgen für den Vorsteuerabzug hingewiesen hat, die sich aus einem umsatzsteuerfreien Verkauf des Grundstücks ergaben. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revisionserwiderung nicht angegriffen.

II.

Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es sei nicht bewiesen, dass der Klägerin infolge der Pflichtverletzung des Beklagten ein Schaden entstanden sei. Der Aussage eines der vernommenen Zeugen sei zu entnehmen, dass mehrere Alternativen zum Zweck der Vermeidung des Steuernachteils bestanden hätten. Welche davon gewählt worden wäre, lasse sich nicht feststellen. Bei der von der Klägerin wohl in erster Linie ins Auge gefassten Unterwerfung des Grundstücksverkaufs unter die USt wäre ein Schaden nur vermieden worden, wenn die Käuferin bereit gewesen wäre, zusätzlich zum vereinbarten Kaufpreis von 7,2 Mio. DM die darauf entfallende USt zu zahlen. Auch das habe die Klägerin aber nicht bewiesen. Für den Fall, dass sie nach pflichtgemäßer Beratung durch den Beklagten von dem Verkauf des Grundstücks abgesehen hätte, sei nicht dargelegt, dass der Wert des Grundbesitzes höher sei als der Betrag, der der Klägerin nach Abzug der Vertragskosten und der an das Finanzamt zurückzuzahlenden Vorsteuern von dem Kaufpreis geblieben sei.

Die darin liegende rechtliche Beurteilung greift die Revision mit Erfolg an.

  1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Mandant eines Steuerberaters die Ursächlichkeit einer von diesem begangenen Pflichtverletzung für einen dadurch angeblich entstandenen Schaden zu beweisen hat[1]. Dabei können dem Mandanten jedoch die Beweiserleichterungen des Anscheinsbeweises[2] und des § 287 ZPO[3] zu Hilfe kommen,

    1. Das Berufungsgericht hat gemeint, nicht feststellen zu können, wie sich die Klägerin bei pflichtgemäßer Beratung durch den Beklagten verhalten hätte, weil es mehrere Alternativen gegeben habe. Daran ist richtig, dass der Erfahrungssatz des beratungsgemäßen Verhaltens nur dann in Betracht kommt, wenn ein bestimmter Rat geschuldet war und es in der gegebenen Situation unvernünftig gewesen wäre, diesen Rat nicht zu befolgen[4]. Für die vom Berufungsgericht genannten weiteren Alternativen - neben der Unterwerfung des konkret abgeschlossenen Grundstückskaufvertrags unter die USt sei es möglich gewesen, die Fabrikhalle entweder nicht mit zu verkaufen oder über sie einen gesonderten umsatzsteuerpflichtigen Vertrag zu schließen - gibt es aber, wie die Revision zu Recht rügt, im vorgetragenen Sachverhalt keine Grundlage. Die Klägerin hat behauptet, es wäre derselbe Kaufvertrag mit einer um die USt...

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