Leitsatz

Übt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach einem Beschluss die Gewährleistungsrechte der Wohnungseigentümer als Erwerber gegen den Bauträger aus, ist die fristgebundene Aufforderung zur Beseitigung der betreffenden Mängel mit Ablehnungsandrohung eines einzelnen Wohnungseigentümers unwirksam, wenn diese mit den Interessen der anderen Wohnungseigentümer kollidiert. Das kann der Fall sein, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in dem Zeitpunkt, in dem der einzelne Wohnungseigentümer die Mängelbeseitigung verlangt, diese nicht zulässt, weil sie eine weitere Klärung der gebotenen Mängelbeseitigungsmaßnahmen für erforderlich hält

 

Normenkette

§ 10 Abs. 6 WEG

 

Das Problem

  1. Ein Erwerber verlangt vom Bauträger im Wege des großen Schadensersatzes die Rückabwicklung eines 1994 geschlossenen Vertrags über den Erwerb eines Wohnungseigentums.
  2. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer rügt gegenüber dem Bauträger ab Ende der 1990er-Jahre Schallschutzmängel und Feuchtigkeit in der Tiefgarage. Sowohl wegen der Schallschutzmängel als auch wegen der Feuchtigkeitsmängel leitet sie im Jahr 2002 jeweils ein selbstständiges Beweisverfahren ein.
  3. Am 9. Juli 2007 beschließen die Wohnungseigentümer, dass das zu den Schallschutzmängeln im selbstständigen Beweisverfahren eingeholte Gutachten ergänzt werden soll. Die von der Gemeinschaft der beauftragten Rechtsanwälte sollen die begonnenen Vergleichsverhandlungen fortführen. Sollten die Verhandlungen scheitern, soll gegen den Bauträger auf Kostenvorschuss geklagt werden. Sinngemäß ergibt sich aus dem Beschluss, dass erhöhter Schallschutz nicht geltend gemacht werden soll. Zur Tiefgarage wird beschlossen, dass auf der Grundlage des im Beweisverfahren erstellten Gutachtens Vergleichsverhandlungen geführt werden sollen. Sollten die Verhandlungen scheitern, soll gegen den Bauträger auch hier auf Kostenvorschuss geklagt werden.
  4. Am 16. Juli 2007 setzt ein Wohnungseigentümer dem Bauträger unter Bezugnahme auf die Feststellungen in den Beweisverfahren eine Frist zur Beseitigung der Mängel und kündigt für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs die Geltendmachung der ihm durch Nichterfüllung des Vertrags entstehenden Ansprüche an.
  5. Im September 2007 beantragt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Beweisverfahren über die Tiefgarage die Ergänzung des Gutachtens. Dem Sachverständigen soll aufgegeben werden, die jeweiligen Mängelbeseitigungsmaßnahmen und -kosten zu den von diesem festgestellten Ausführungsmängeln zu ermitteln. Im Beweisverfahren über die Schallschutzmängel bittet die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer um eine weitere Fristverlängerung im Hinblick auf weitere gutachterliche Untersuchungen, auf deren Grundlage eine vergleichsweise Regelung beabsichtigt sei.
  6. Im September 2007 erhebt der fristsetzende Wohnungseigentümer gegen den Bauträger Klage und verlangt die Rückabwicklung des Erwerbsvertrags und den Ersatz der ihm entstandenen Schäden im Wege des großen Schadensersatzes. Das Landgericht gibt der Klage überwiegend statt. Gegen dieses Urteil legt der Bauträger Berufung ein. Auf die Berufung des Bauträgers ändert das Oberlandesgericht dieses Urteil ab und weist die Klage insgesamt ab. Mit der Revision verfolgt der Wohnungseigentümer seine Anträge weiter.
 

Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Die fristgebundene Mängelbeseitigungsaufforderung mit Ablehnungsandrohung des Klägers sei unwirksam.
  2. Wohnungseigentümer könnten im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums die Ausübung der auf die ordnungsmäßige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums gerichteten Rechte der einzelnen Erwerber aus den Verträgen mit dem Veräußerer, die nicht ihrer Natur nach gemeinschaftsbezogen sind, gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG durch Beschluss auf die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übertragen (sogenanntes Ansichziehen). Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei dann für die Durchsetzung der auf die Beseitigung von Mängeln des gemeinschaftlichen Eigentums gerichteten Ansprüche zuständig.
  3. Diese Zuständigkeit beziehe sich allerdings nicht auf die Rechte der einzelnen Wohnungseigentümer, großen Schadensersatz zu verlangen, den Erwerbsvertrag zu wandeln oder von ihm zurückzutreten. Der Erwerber von Wohnungseigentum sei grundsätzlich berechtigt, seine individuellen Ansprüche aus dem Vertrag mit dem Veräußerer selbstständig zu verfolgen, solange durch sein Vorgehen gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers nicht beeinträchtigt seien.
  4. Der einzelne Erwerber könne bei einer derartigen Interessenlage dem Veräußerer eine Frist mit Ablehnungsandrohung grundsätzlich selbst dann setzen, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Durchsetzung der Mängelansprüche an sich gezogen habe.
  5. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liege im Streitfall ein relevanter Interessenkonflikt zwischen dem klagenden Wohnungseigentümer und den anderen Wohnungseigentümer vor, der zur Unwirksamkeit der fristgebundenen Mängelb...

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