Leitsatz

Die Klägerin nahm die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der insolventen K-GmbH in Anspruch. Die K-GmbH hatte die Geschäftsbereiche "Adressen" und "Lettershop" unterhalten und von der Klägerin Material erworben, den Kaufpreis aber nicht vollständig gezahlt. Die Beklagte kaufte in der Folgezeit den Geschäftsbereich "Adressen", der ca. 10 % des Tätigkeitsumfangs der K-GmbH ausmachte.

Das OLG Düsseldorf wies die Klage auf Zahlung des Restkaufpreises ab: Nur wenn der den Schwerpunkt des Unternehmens bildende wesentliche Kernbereich oder eine weisungsabhängige, selbstständige Zweigniederlassung übernommen werde, komme eine Haftung für die Altverbindlichkeiten gem. § 25 Abs. 1 HGB in Betracht. Die Klägerin habe nicht hinreichend substantiiert und nachprüfbar dargelegt, aus welchen Gründen die Übernahme des Geschäftsbereichs "Adressen" den wesentlichen Kern des insolvent gewordenen Unternehmens dargestellt habe. Das OLG Düsseldorf wies daher die Klage ab.

Anders der BGH, der das Urteil aufhob und zur erneuten Verhandlung an das OLG Düsseldorf zurückverwies, da das OLG den Sachvortrag der Klägerin nicht richtig berücksichtigt hatte.

Die Klägerin habe unter Beweisantritt vorgetragen, dass es sich bei dem Geschäftsbereich "Adressen" um den "Erwerbsträger" des Unternehmens gehandelt habe, mit dem die Gewinne erwirtschaftet worden seien - der übernommene Bereich verkörpere den wesentlichen (Ertrags-)Wert des Unternehmens. Angesichts der Indizien

  • Kaufpreis,
  • steuerliche Bewertung des Unternehmens durch die Parteien sowie
  • die kurz darauf folgende Insolvenz des nicht übernommenen Unternehmensteils

für die Bewertung des Geschäftsbereichs "Adressen" könnte ein Sachverständiger ggf. schon auf Basis des vorliegenden Sachvortrags das Wertverhältnis zwischen den Geschäftsbereichen bestimmen. Auf die für ein Ertragswertgutachten noch benötigten Informationen (Jahresabschlüsse der letzten Jahre) hätte das OLG hinweisen und der Klägerin so Gelegenheit zum weiteren Vortrag geben müssen.

 

Hinweis

Der BGH bekräftigt und präzisiert seine Rechtsprechung zur Unternehmensfortführung nach § 25 Abs. 1 HGB. Er stellt klar, dass die Übertragung eines Teilbetriebs für die Unternehmensfortführung ausreichen kann, sofern der wesentliche Kernbereich erworben wird. Für die Feststellung des wesentlichen Kerns eines Unternehmens kommt es nunmehr entscheidend auf den Wert der Unternehmensteile an. Der Wert der Unternehmensteile hat damit nicht lediglich Indizwirkung.

Ob eine Fortführung des Unternehmens unter Umständen auch dann angenommen werden kann, wenn der Wert der übertragenen Teile unter dem Wert der beim Veräußerer verbleibenden Teile liegt (so Stimmen in der juristischen Literatur), erscheint damit fraglich. Dies dürfte allenfalls dann angenommen werden, wenn der Rechtsverkehr das Unternehmen ganz eindeutig mit diesem Teil identifiziert. Dagegen ist es unerheblich, ob das fortgeführte Handelsgeschäft noch einen zur Befriedigung seiner Gläubiger ausreichenden Wert hat (so schon BGH NJW 2006, 1001).

Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Sie verleiht dem Haftungstatbestand des § 25 Abs. 1 HGB in den Fällen der teilweisen Unternehmensfortführung klarere Konturen. Der Wert der Unternehmensteile ist ein konkretes, einer Beweisführung zugängliches Kriterium, das rechtssicher gehandhabt werden kann. Hierauf sollte man sich jedoch nicht verlassen, sondern die Möglichkeit des § 25 Abs. 2 HGB nutzen und die Nichtübernahme der Verbindlichkeiten des fortgeführten Unternehmensteils in das Handelsregister eintragen lassen, was zum Haftungsausschluss führt.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 07.12.2009, II ZR 229/08

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