1 Leitsatz

Gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG richtet sich der Gebührenstreitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. In einem Verfahren über ein Rechtsmittel, das in einem wohnungseigentumsrechtlichen Übergangsfall nach dem 30.11.2020 eingelegt worden ist und einen auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogenen Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch betrifft, bestimmt sich der Streitwert gem. § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG nach den ZPO-Wertvorschriften.

2 Normenkette

§ 71 Abs. 1 Satz 2 GKG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K macht gegen Wohnungseigentümer B vor dem 1.12.2020 einen auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogenen Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch geltend. Das AG gibt der Klage statt. Die Berufung wird nach dem 1.12.2020 eingelegt. Das LG weist sie zurück. Dagegen wendet sich B zum BGH. Fraglich ist, wie der Gebührenstreitwert zu bestimmen ist.

4 Die Entscheidung

Gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG richte sich der Gebührenstreitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. In einem Verfahren über ein Rechtsmittel, das in einem wohnungseigentumsrechtlichen Übergangsfall nach dem 30.11.2020 eingelegt worden sei und einen auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogenen Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch betreffe, bestimme sich der Streitwert gem. § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG nach den ZPO-Wertvorschriften (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 9.12.2021, V ZR 112/21, Rn. 4). Das maßgebliche Interesse des B, keinen Rückbau vornehmen zu müssen, schätze der Senat aufgrund der Angaben in der Beschwerdebegründung auf 39.448,50 EUR.

Gem. § 47 Abs. 2 GKG werde der Streitwert jedoch durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Insoweit bleibe § 49a GKG a. F. maßgeblich (§ 71 Abs. 1 Satz 1 GKG; Hinweis auf BGH, Beschluss v. 9.12.2021, V ZR 112/21, Rn. 5). Danach bemesse sich der Streitwert nach dem (hälftigen) klägerischen Interesse an der Beseitigung und dem (hälftigen) Interesse des B, keinen Rückbau vornehmen zu müssen. Das Gesamtinteresse der Parteien schätze der Senat auf 43.448,50 EUR (K: 4.000 EUR; B: 39.448,50 EUR). Der Streitwert beträgt 50 % hiervon, also 21.724,25 EUR. Da dieser Wert die Obergrenze des § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG a. F. überschreite, sei der Streitwert entsprechend dem 5-fachen Wert des Interesses des K auf 20.000 EUR festzusetzen.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um die Frage, welche GKG-Bestimmung in einem Altverfahren anwendbar ist, bei dem das Rechtsmittel nach dem 30.11.2020 eingelegt wird. Von der Antwort ist abhängig, wie man den Gebührenstreitwert ermittelt.

Die Übergangsbestimmungen

In Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, werden nach § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. In einem Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist, gilt dies nach § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG aber nicht. Deshalb müssten für alle Rechtsmittelverfahren in WEG-Streitigkeiten für die Bestimmung des Gebührenstreitwerts mittlerweile entweder § 49 GKG oder § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. §§ 3, 6 bis 9 ZPO anwendbar sein. Dies sieht der BGH bei Beschlussklagen anders (BGH, Beschluss v. 30.9.2021, V ZR 258/20). Wie man der Entscheidung entnehmen kann, ist es in anderen Verfahren aber nicht so.

6 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 2.6.2022, V ZR 192/21

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