Leitsatz

Das OLG Köln hat sich in dieser Entscheidung mit dem Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter nach § 1615l BGB, insbesondere den Voraussetzungen für eine rückwirkende Geltendmachung, auseinandergesetzt.

 

Sachverhalt

Die Beteiligten waren die Eltern eines am 9.4.2010 geborenen Kindes. Sie unterhielten seit etwa drei Jahren vor der Geburt des Kindes eine nichteheliche Beziehung und hatten bis kurz nach der Geburt des Kindes zusammengelebt. Der Kindesvater erkannte die Vaterschaft des Kindes zwei Monate nach dessen Geburt an und zahlte seither Kindesunterhalt, dessen Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig war.

Betreuungsunterhalt an die Antragstellerin (Kindesmutter) zahlte der Antragsgegner (Kindesvater) nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.3.2011 forderte die Antragstellerin erstmalig Betreuungsunterhalt in Höhe der Differenz zwischen dem Mindestunterhaltsbedarf einer Nichterwerbstätigen von 770,00 EUR und der von ihr bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente i.H.v. 551,26 EUR, somit 218,74 EUR ab 6 Wochen vor der Geburt des Kindes.

Erstinstanzlich wurde der Klage einschließlich der Rückstände stattgegeben. Eine Befristung des Unterhalts bis zum 3. Geburtstag des Kindes fand nicht statt.

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung wandte sich der Antragsgegner mit der Beschwerde.

Sein Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG hat die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts in vollem Umfang bestätigt.

Zur Höhe des Unterhaltsbedarfs der Kindesmutter hat es ausgeführt, dieser bemesse sich jedenfalls nach einem Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums, der unterhaltsrechtlich mit dem notwendigen Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen pauschaliert werden dürfe. Dabei spiele es keine Rolle, ob die unterhaltsberechtigte Mutter zuvor erwerbstätig gewesen sei oder - aus welchen Gründen auch immer - nicht arbeite. Der Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 BGB solle dem Berechtigten - wie auch der nacheheliche Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB - eine aus kind- und elternbezogenen Gründen notwendige persönliche Betreuung und Erziehung des gemeinsamen Kindes in den ersten Lebensjahren ermöglichen.

Auch an der Leistungsfähigkeit des Antragsgegners hinsichtlich der geltend gemachten Beträge bestehe kein Zweifel.

Im Hinblick auf die Rückstände begründete das OLG seine Entscheidung mit der Auslegung von § 1615l Abs. 3 i.V.m. § 1613 Abs. 2 BGB. § 1615l BGB verweise zunächst auf die entsprechende Anwendung der "Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten". Durch diese Verweisung sei § 1613 BGB, in dem die Voraussetzungen für die Geltendmachung rückständigen Unterhalts geregelt seien, zunächst ohne weiteres mit allen Absätzen anwendbar. Sodann erfolge jedoch in § 1615l Abs. 3 S. 3 BGB ein gesonderter Verweis auf die Anwendbarkeit von § 1613 Abs. 2 BGB, wonach in besonderen Fällen Unterhalt auch ohne vorherige Mahnung nachgefordert werden könne. Hieraus schloss das OLG, dass diese spezielle Verweisung die rückwirkende Geltendmachung des Unterhalts für ein Jahr auch ohne die verzugsbegründenden Voraussetzungen von § 1613 Abs. 1 BGB ermöglichen solle. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung, wonach wegen möglicher Schwierigkeiten bei der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs der nicht verheirateten Mutter die Nachforderung von Rückständen in ähnlicher Weise erleichtert werden solle wie bei Kindern mit zunächst ungeklärter Vaterschaft.

Zur Befristung verwies das OLG darauf, dass das Kind der Beteiligten zum Zeitpunkt des Beschlusses noch nicht drei Jahre alt gewesen sei und deshalb keine sichere Prognose abgegeben werden könne, wie sich die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes nach Beendigung des dritten Jahres darstellen werde.

Aus diesen Gründen scheide eine vorsorgliche Befristung aus.

Das OLG hat gemäß § 79 Abs. 2 S. 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zu den Fragen zugelassen, ob Voraussetzung für die Geltendmachung rückständigen Unterhalts nach § 1615l die vorherige Inverzugsetzung des Unterhaltsschuldners sei und ob der Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB generell im Voraus auf drei Jahre zu befristen sei.

 

Hinweis

Die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde ist eingelegt worden, um die beiden offenen Fragen einer höchstrichterlichen Entscheidung zuzuführen. Die zu erwartende Entscheidung des BGH (BGH XII ZB 249/12) ist noch nicht ergangen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Köln, Urteil vom 17.04.2012, 4 UF 277/11

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