Leitsatz

Gegenstand dieser Entscheidung des OLG Hamm war die Höhe des Bedarfs der unverheirateten Mutter, die eine Ausbildung absolviert. Ferner ging es um die Frage, ob auf den Unterhalt der nicht verheirateten Mutter die Verwirkungsvorschriften des § 1579 BGB anwendbar sind.

 

Sachverhalt

Die Beteiligten stritten um Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB für die Zeit ab Juli 2009. Sie waren Eltern eines am 18.5.2009 geborenen Kindes. Die Vaterschaft war von dem Kindesvater mit Zustimmung der Antragstellerin anerkannt worden.

Der Antragsgegner war bis November 2009 als angestellter Arzt beschäftigt und seit Dezember 2009 vorübergehend arbeitslos. Seit dem 15.3.2010 war er wieder bei seinem früheren Arbeitgeber angestellt und hatte seit November 2010 eine neue Arbeitsstelle.

Die Antragstellerin befand sich seit dem 1.4.2007 in der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Nach Unterbrechung durch den Mutterschutz bzw. durch die Elternzeit vom 14.4.2009 bis zum 31.3.2010 hatte sie die Ausbildung, die voraussichtlich bis zum 31.3.2011 dauern sollte, am 1.4.2010 wieder aufgenommen. Bis zur Geburt des Kindes bezog sie eine Ausbildungsvergütung i.H.v. ca. 600,00 EUR netto zzgl. Weihnachtsgeld. Von Juli bzw. September 2009 bis März 2010 erhielt sie Eltern- und Wohngeld.

Seit dem Wiederbeginn ihrer Ausbildung war das Kind in einer Kindertagesstätte untergebracht.

Der in Anspruch genommene Antragsgegner war leistungsfähig. Die Antragstellerin hatte vor der Geburt des Kindes mit einem anderen Mann zusammen gelebt, den sie wegen des Antragsgegners verlassen hatte. Das Verhältnis mit dem Vater ging noch während der Schwangerschaft auseinander. Die Gründe hierfür waren zwischen den Beteiligten streitig.

Mit Beschluss vom 17.5.2010 hat das AG den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin ab April 2010 monatlichen Unterhalt i.H.v. 530,00 EUR sowie Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 18.7.2009 bis zum 31.3.2010 zu zahlen.

Hiergegen wandte sich der Antragsgegner mit der Beschwerde. Die Antragstellerin beantragte im Wege der Anschlussberufung, den Antragsgegner zu verpflichten, an sie weiteren Unterhalt i.H.v. monatlich 78,00 EUR für die Zeit von Januar bis März 2010 und i.H.v. 39,00 EUR ab April 2010 zu zahlen.

Die Beschwerde des Antragsgegners blieb ohne Erfolg, die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin führte zu einer Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses in dem von ihr beantragten Umfang.

 

Entscheidung

Das OLG kam zu dem Ergebnis, die Antragstellerin habe einen Anspruch auf Zahlung von Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l Abs. 2 BGB gegen den Antragsteller, dessen Maß sich nach § 1615l Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 1610 Abs. 1 BGB nach ihrer Lebensstellung richte. Ihre Lebensstellung werde durch ihre Einkünfte bestimmt, die sie vor der Schwangerschaft gehabt habe und ohne die Geburt des Kindes weiter haben würde. Da sie bislang nicht erwerbstätig gewesen oder ihr Verdienst - wie hier die Ausbildungsvergütung der Antragstellerin - so gering gewesen sei, dass von einer eigenen Lebensstellung oberhalb des Existenzminimums nicht gesprochen werden könne, sei der Bedarf der nicht erwerbstätigen Mutter mit 770,00 EUR zu bemessen. Der Kindesvater schulde nicht weniger, als es dem Sozialhilfesatz einschließlich des angemessenen Mietaufwandes oder dem sog. Existenzminimum entspreche (Wendl/Staudigl-Pauling, a.a.O., § 7 Rz. 27; BGH vom 16.12.2009, FamRZ 2010, 357).

Das OLG hat die Mutter, die sich in der Berufsausbildung befand, einer Erwerbstätigen gleichgestellt und im Folgenden festgestellt, sie sei nur in dem Umfang bedürftig, in dem ihr Bedarf nicht durch eigene Einkünfte gedeckt sei.

Auf ihren Bedarf müsse sie sich ihre Einkünfte nur zur Hälfte anrechnen lassen, da sie zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht verpflichtet sei. Überobligatorische Einkünfte der Mutter könnten grundsätzlich nicht zur Gänze angerechnet werden. Vielmehr sei unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls in entsprechender Anwendung von § 1577 Abs. 2 BGB nach Billigkeitsgesichtspunkten über den Umfang der Anrechnung zu entscheiden.

Da die Mutter frei entscheiden könne, ob sie während der ersten drei Lebensjahre des Kindes einer Berufstätigkeit nachgehe, sei ihre Tätigkeit in vollem Umfang überobligatorisch. Es entspreche daher der Billigkeit, hiervon nur die Hälfte anzurechnen.

Im Übrigen ließ das OLG offen, ob auf den Unterhalt der nicht verheirateten Mutter die Verwirkungsvorschriften des § 1579 BGB Anwendung finden könnten. Eine verfestigte Lebensgemeinschaft liege jedenfalls nicht vor, weil das frühere Verhältnis der Mutter zu ihrem damaligen Partner durch die Beziehung mit dem jetzt in Anspruch genommenen Vater endgültig unterbrochen gewesen sei. Es sei unerheblich, ob die Mutter den in Anspruch genommenen Vater mutwillig verlassen habe, da außerhalb der Ehe eine Treuepflicht nicht bestehe.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Beschluss vom 03.11.2010, 8 UF 138/10

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