Rz. 2

Gemäß dem ungarischen Recht können die Voraussetzungen einer "fehlerlosen" Ehe, die die bürgerlichen Rechtswirkungen restlos auslösen kann, in zwei Gruppen eingeteilt werden: Einerseits hat die Ehe die gesetzlichen Voraussetzungen ihrer Entstehung zu erfüllen, andererseits muss sie auch gültig sein. Dementsprechend werden im ungarischen Recht zwei Fallkreise der mit einem Rechtsmangel behafteten Ehen unterschieden: die rechtlich nicht existierende Ehe (Nichtehe, matrimonium non existens) sowie die ungültige Ehe. Die Rechtswirkungen bei diesen zwei Fälle der fehlerhaften Ehen sind unterschiedlich (siehe eingehend Rdn 2022).

1. Das Zustandekommen der Ehe

 

Rz. 3

Gemäß § 4:5. Abs. (1) Ptk. "kommt die Ehe zustande, wenn ein Mann und eine Frau bei gleichzeitiger Anwesenheit vor dem Standesbeamten persönlich erklären, miteinander die Ehe einzugehen. Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung abgegeben werden." Die in Abs. (1) genannten Bedingungen sind Voraussetzungen des Zustandekommens einer Ehe; wird nur eine von ihnen nicht erfüllt, so liegt eine Nichtehe vor.

 

Rz. 4

Dementsprechend ist eine Ehe als nicht existent anzusehen, wenn z.B. die Eheschließenden nicht gleichzeitig anwesend waren, einer der Eheschließenden die Erklärung nicht persönlich abgegeben hat, die Erklärung unter einer Bedingung abgegeben wurde, oder die Erklärungen nicht gleichlautend waren. Ebenfalls als nicht entstanden gilt die Ehe, wenn die Voraussetzung der obligatorischen bürgerlichen Ehe nicht erfüllt ist, also bei der Eheschließung kein Standesbeamter mitgewirkt hat.[5] Die Ehe wird ebenfalls als nicht existent angesehen, wenn sie nicht von einem Mann und einer Frau geschlossen wurde. Das ungarische Recht ermöglicht für gleichgeschlechtliche Personen keine Eheschließung. Das diesbezügliche Verbot ist auch im ungarischen Grundgesetz[6] deklariert. Für gleichgeschlechtliche Personen besteht die Möglichkeit, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen (siehe Rdn 173 ff.), die – von einigen Ausnahmen abgesehen – die gleichen Rechtswirkungen auslöst wie die Ehe.

[5] Die im Ausland geschlossenen kirchlichen Ehen können dagegen in Ungarn als wirksame Ehen betrachtet werden, wenn sie dem lex loci celebrationis entsprechen (siehe Rdn 30).
[6] Siehe das Grundgesetz von Ungarn, Art. L) Abs. (1).

2. Die Gültigkeitsvoraussetzungen der Ehe

 

Rz. 5

Die Gültigkeitsvoraussetzungen der Ehe sind im Gesetz mit der Umkehrlogik geregelt: Es zählt die Ungültigkeitsgründe abschließend auf.[7] Die Ungültigkeitsgründe sind eigentlich Ehehindernisse; bei Bestehen auch nur eines von ihnen ist die Ehe ungültig.

[7] §§ 4:9 – 4:13 Ptk.

a) Ehemündigkeit

 

Rz. 6

Nach geltendem ungarischen Recht ist die Ehemündigkeit sowohl von Männern als auch von Frauen[8] mit der Volljährigkeit (Vollendung des 18. Lebensjahres) erreicht. Die Ehe eines Minderjährigen ist ungültig, es sei denn, die Vormundschaftsbehörde hat eine Genehmigung zur Eheschließung im Voraus erteilt.[9]

 

Rz. 7

Die Vormundschaftsbehörde kann einer beschränkt geschäftsfähigen[10] minderjährigen Person die Eheschließung genehmigen, wenn sie das 16. Lebensjahr vollendet hat. Im Genehmigungsverfahren hat die Vormundschaftsbehörde – von einigen Ausnahmefällen abgesehen[11] – auch die gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen (Eltern, Vormund) anzuhören. Die Verordnung über den Kinderschutz (Gyer)[12] regelt eingehend, unter welchen Bedingungen die Vormundschaftsbehörde die Eheschließung genehmigen kann. Schließt eine minderjährige Person nach Vollendung des 16. Lebensjahrs mit Genehmigung der Vormundschaftsbehörde eine Ehe, wird sie in Folge der Eheschließung – kraft Gesetzes – volljährig.[13]

 

Rz. 8

Die Ungültigkeit der Ehe wegen Minderjährigkeit kann in gewissen Fällen geheilt werden. Wenn nämlich der Minderjährige in Ermangelung der Genehmigung – oder schon vor Vollendung des 16. Lebensjahrs – die Ehe eingegangen hat, dann wird die Ehe rückwirkend vom Zeitpunkt der Eheschließung (ex tunc) gültig, wenn der betroffene Ehegatte die (noch bestehende) Ehe innerhalb sechs Monate nach Erreichen der Volljährigkeit nicht angefochten hat.[14]

[8] Die Ehemündigkeit der Frauen trat vor 1986 mit Vollendung des 16. Lebensjahres ein.
[9] § 4:9 Ptk.
[10] Gemäß § 2:11 Ptk. ist ein Minderjähriger, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, beschränkt geschäftsfähig, es sei denn, er ist aus einem anderen – nicht mit dem Alter zusammenhängenden – Grund geschäftsunfähig.
[11] Auf Anhörung eines Elternteils wird verzichtet, wenn er kein Sorgerecht über den Minderjährigen ausüben darf (nicht einmal in wesentlichen Schicksalsfragen im Rahmen des Mitentscheidungsrechts), wenn der Elternteil sich an einem unbekannten Ort aufhält oder die Anhörung aus anderen Gründen auf unüberwindbare Hindernisse stößt (§ 4:9 Abs. (3) Ptk.).
[12] Siehe § 36 der Regierungsverordnung Nr. 149/1997. (IX. 10.) über die Vormundschaftsbehörde und über das Verfahren in Kinderschutz- und Vormundschaftssachen (im Folgenden: Gyer).
[13] § 2:10 Abs. (1) Ptk.
[14] Auf die gleiche Weise wird die Ehe ex tunc gültig, wenn die Klage auf Ungültigk...

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