Rz. 70

Ein Gericht ist für die Ehescheidung nur dann anzurufen, wenn mindestens ein gemeinsames minderjähriges Kind vorhanden ist (mit Ausnahme der Fälle, in denen die Ehe gem. Art. 107 Abs. 1 FGB ungeachtet gemeinsamer Kinder standesamtlich geschieden werden kann: bei Verschollenheit oder Geschäftsunfähigkeit) oder wenn einer der Ehegatten nicht in die Ehescheidung einwilligt (Art. 109, 110 FGB).

 

Rz. 71

Das Gericht kann Maßnahmen zur Versöhnung der Ehegatten treffen, soweit dies mit den moralischen Grundsätzen der Gesellschaft vereinbar ist (Art. 111 FGB). Bezüglich der Art dieser Maßnahmen lässt der Gesetzgeber dem Richter völlig freie Hand. Praktisch wird es sich dabei zumeist um die Anordnung einer Versöhnungsfrist von maximal sechs Monaten gem. Art. 240 Abs. 7 ZPO handeln, nach deren erfolglosem Ablauf die Scheidung ausgesprochen wird.[30]

 

Rz. 72

Bei einer einvernehmlichen Scheidung hat das Gericht lediglich zu prüfen, ob der Scheidungsantrag dem tatsächlichen Willen der Ehegatten entspricht, und sicherzustellen, dass durch die Scheidung die persönlichen Rechte und die Vermögensrechte der Ehegatten sowie die Rechte der Kinder nicht verletzt werden (Art. 109 Abs. 3 FGB). Sofern die Ehegatten eine schriftliche Vereinbarung über die Scheidungsfolgen vorlegen, prüft das Gericht diese. Das Gericht spricht die Scheidung nach Ablauf eines Monats seit der gemeinsamen Antragstellung aus (Art. 109 Abs. 4 S. 1 FGB). Vor Ablauf dieser Frist können die Ehegatten den Scheidungsantrag jederzeit zurücknehmen (Art. 109 Abs. 4 S. 2 FGB).

 

Rz. 73

Bei streitiger Scheidung hat das Gericht die tatsächlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten und die wirklichen Gründe für die Scheidungsklage aufzuklären. Sind minderjährige Kinder unter vierzehn Jahren (vgl. Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 FGB) oder ein behindertes Kind vorhanden, sind diese ebenso wie die sonstigen Lebensumstände der Ehegatten in Betracht zu ziehen (Art. 112 Abs. 1 FGB). Die Ehegatten selbst sind nicht verpflichtet, ihre Beweggründe offenzulegen. Wenn das Gericht zu dem Schluss kommt, dass das weitere Zusammenleben der Ehegatten und die Aufrechterhaltung der Ehe wesentlichen Interessen eines der Ehegatten oder des Kindes widersprechen, ist die Ehe zu scheiden (Art. 112 Abs. 2 FGB), aber auch dann, wenn der Versöhnungsversuch fehlgeschlagen ist und mindestens einer der Ehegatten weiterhin die Scheidung begehrt.[31]

 

Rz. 74

Der klagende Ehegatte kann ein Versäumnisurteil erwirken, wenn der beklagte Ehegatte trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne triftigen Grund der Verhandlung fernbleibt. In diesem Fall steht dem beklagten Ehegatten neben der Appellations- bzw. Kassationsbeschwerde als weiteres Rechtsmittel ein Revisionsantrag beim erkennenden Gericht innerhalb von 30 Tagen nach Verkündung des Urteils zur Verfügung (Art. 280, 284 ZPO). Die gerichtliche Scheidung wird mit Rechtskraft des Scheidungsurteils wirksam (Art. 114 Abs. 2 FGB), d.h. mit Ablauf der dreißigtägigen Frist für die Einreichung der Appellationsbeschwerde (Art. 273 Abs. 1, 354 Abs. 1 ZPO). Nach Rechtskraft des Scheidungsurteils hat das Gericht das Urteil an das Standesamt am Ort der Ehescheidung zwecks Eintragung der Angaben im Personenstandsregister und eines Vermerks im Eheregister zu übermitteln (Art. 115 Abs. 2 FGB). Der Erhalt einer Scheidungsurkunde ist bei einer gerichtlichen Ehescheidung nicht mehr erforderlich. Hier reicht die rechtskräftige Gerichtsentscheidung für den Nachweis der Ehescheidung (Art. 115 Abs. 3 Unterabs. 2 FGB). Nach Erhalt des rechtskräftigen Scheidungsurteils sind die geschiedenen Ehegatten berechtigt, eine neue Ehe einzugehen (Art. 116 FGB).

 

Rz. 75

Für Ehescheidungen sind die örtlichen allgemeinen Gerichte zuständig (Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1, Art. 23 ZPO), deren Aufgaben mit denen der Amtsgerichte in Deutschland vergleichbar sind. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Beklagten (Art. 27 Abs. 1 ZPO). Ist dessen Wohnsitz oder Aufenthaltsort unbekannt oder hat er keinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort in der Ukraine, kann die Klage beim Gericht am Ort des letzten bekannten Wohnsitzes oder Aufenthaltsorts des Beklagten in der Ukraine erhoben werden (Art. 28 Abs. 9, 10 ZPO). Scheidungsklagen können außerdem beim Gericht am Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Klägers erhoben werden, wenn dieser für ein minderjähriges Kind sorgt oder ihm die Anreise zum Wohnsitzgericht des Beklagten aus gesundheitlichen oder anderen Gründen wesentlich erschwert ist (Art. 28 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Parteien können einen Gerichtsstand am Wohnsitz eines der Ehegatten frei vereinbaren (Art. 28 Abs. 2 S. 2 ZPO).

 

Rz. 76

Vor ukrainischen Gerichten herrscht kein Anwaltszwang. Jeder kann sich selbst vertreten oder durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen (Art. 58 Abs. 1 ZPO). Mit der Neufassung der Zivilprozessordnung wurde zum 15.12.2017 stufenweise ein Anwaltsmonopol eingeführt, wonach die Vertretung vor Gericht nur noch durch einen Rechtsanwalt zulässig ist (Ar...

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