Leitsatz

Übertragung von Beschlusskompetenzen auf "großen Verwaltungsbeirat" in "Mehrhausanlage" von vier nachbarschaftlichen Wohnungseigentümergemeinschaften?

 

Normenkette

§§ 10, 23 WEG

 

Kommentar

  1. Ein zu den Häusern der Gemeinschaften führender "Hochgang" musste saniert werden. Für den gesamten Anlagenkomplex der insgesamt vier Gemeinschaften wurde nach den entsprechenden Teilungserklärungen ein "großer" Verwaltungsbeirat gebildet, der "zur Klärung von Fragen zuständig sei, die mit der Nutzung bzw. Mitbenutzung sowie Kostenverteilung und sonstigen Maßnahmen der Gemeinschaftseinrichtungen und des gemeinschaftlichen Eigentums befasst sei".

    Streit entstand daraufhin, ob eine der Gemeinschaften verpflichtet ist, sich an den Kosten für die Anbringung einer Hochgangsbrüstungsabdeckung zu beteiligen, die vom "großen" Verwaltungsbeirat beschlossen wurde. Frage war also, ob es sich beim Hochgang um gemeinschaftliches Eigentum handelt, für dessen Unterhaltung alle vier Wohnungseigentümergemeinschaften verantwortlich sind oder ob insoweit nur die jeweils unmittelbar anliegenden Eigentümer bzw. die betreffende Gemeinschaft in Anspruch genommen werden können. Zu klären ist auch, ob überhaupt Kompetenzen der Eigentümergemeinschaft auf den jeweils in den Teilungserklärungen vorgesehenen "großen" Verwaltungsbeirat übertragen werden durften.

  2. Nach Ansicht des Senats bestehen keine Bedenken dagegen, Beschlusskompetenzen auf ein bestimmtes Gremium zu übertragen, da sich sowohl aus § 23 Abs. 1 WEG als auch aus § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG ergibt, dass in einer Teilungserklärung abweichende Beschlussorgane bestimmt werden können und es vor allem bei Mehrhausanlagen und besonders großen Anlagen sinnvoll sein kann, bestimmte Beschlussfassungen einem größeren Gremium zu übertragen, um die Beschlussfähigkeit zu gewährleisten. Sinn der Regelung ist gerade die Vermeidung wechselseitiger Blockierung der Gemeinschaften mit der Folge, dass keine Beschlüsse bezüglich des Gemeinschaftseigentums zustande kommen, weil sich einzelne Eigentümergemeinschaften z. B. nicht an den Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums beteiligen wollen.

    Vorliegend konnte deshalb der "große" Verwaltungsbeirat auch Entscheidungen mit entsprechender Beschlusskompetenz treffen, welche das Gemeinschaftseigentum und Gemeinschaftseinrichtungen betreffen. Dass damit Entscheidungen einzelner Wohnungseigentümergemeinschaften, die Beschlüssen des "großen" Verwaltungsbeirats zuwiderlaufen, hinfällig werden, sei selbstverständlich und bedürfe keiner ausdrücklichen Regelung. Andernfalls würde sich eine Situation ergeben, bei der der Bestand der gesamten Anlage gefährdet wäre, weil keine Beschlüsse bezüglich der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums getroffen werden könnten, wenn eine Gemeinschaft eine Kostenbeteiligung bzgl. der Unterhaltung gemeinschaftlichen Eigentums – wie vorliegend – verweigern würde. Dadurch könne im Extremfall die gesamte Anlage verkommen. Im "großen" Verwaltungsbeirat waren hier die jeweiligen Gemeinschaften durch jeweils drei Beiratsmitglieder vertreten.

Anmerkung

Wurde diesseits der in der NZM-Veröffentlichung kurz wiedergegebene Sachverhalt richtig verstanden, erscheint das Entscheidungsergebnis nicht vertretbar.

Äußerst umstritten dürfte zunächst die Frage sein, ob überhaupt eine Vereinbarung in einer Gemeinschaftsordnung rechtsgültig ist, welche Entscheidungskompetenzen zum eigenen Gemeinschaftseigentum einer Gemeinschaft auf Organe, wie z. B. den Beirat der Gemeinschaft überträgt. Unter dem Stichwort "verdrängende Vollmacht" muss dies m. E. verneint werden, da es sich um Struktureingriffe in das Organvertretungsgefüge einer Gemeinschaft handelt, wenn Diskussions- und Stimmrechte aller Eigentümer durch solche Entscheidungsübertragungen abgeschnitten und ausgehöhlt werden. Entsprechende nachträgliche Beschlüsse in Abweichung zu Gesetz und Teilungserklärung wurden jedenfalls bereits nach einigen Stimmen in der Fachliteratur als von Anfang an nichtig angesehen.

Mehrere, rechtlich selbstständige Wohnungseigentümergemeinschaften können allerdings gemeinschaftlich nutzbare Bauteile, Flächen, Anlagen und Einrichtungen besitzen (hier sollte nicht von "Gemeinschaftseigentum" im Sinne des WEG gesprochen werden), die auch eine übergeordnete Verwaltung erforderlich machen und die Pflicht aller Gemeinschaften begründen, in solchen Bereichen gemeinsam die Verantwortung und Kostentragung in entsprechenden Anteilsverhältnissen zu übernehmen. Man sollte hier allerdings auch nicht von einer Wohnungseigentümergemeinschaft oder Mehrhausanlage sprechen, sondern von einer Bruchteilsgemeinschaft mehrerer Wohnungseigentümergemeinschaften nach den §§ 741 ff. BGB oder einer übergeordneten Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zweck der Benutzung und Erhaltung solcher gemeinschaftlichen, WEG-grenzüberschreitenden Flächen und Anlagen.

Insoweit bieten sich von Anfang an übereinstimmend in allen Gemeinschaften entsprechende Vertragsabspr...

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