Leitsatz

Ein "überhängender Überbau" hindert nicht die Begründung von Wohnungseigentum.

 

Normenkette

§§ 3, 8 WEG

 

Das Problem

Bauträger B gibt gegenüber dem Grundbuchamt eine Teilungserklärung ab (§ 8 WEG). Das Grundbuchamt sieht sich am Vollzug gehindert, weil ein Erker im Obergeschoss in das Nachbargrundstück ragt. Gegen diese Haltung wehrt sich der Bauträger.

 

Die Entscheidung

Mit Erfolg! Entstehe ein Überbau nachträglich dadurch, dass ein bebautes Grundstück geteilt werde und die neue Grenze durch das bereits errichtete Gebäude verlaufe, sei entsprechend den zu § 912 BGB entwickelten Grundsätzen und dem Zweckgedanken der Überbauvorschriften, wirtschaftliche Werte möglichst zu erhalten, dem Gesichtspunkt der natürlich-wirtschaftlichen Einheit von Gebäuden der Vorzug vor der Zuordnung nach der Grundstücksabgrenzung (§ 94 Abs. 1 BGB) zu geben. Zwar könne für die Ermittlung des Stammgrundstücks nicht auf die Absichten des Erbauers abgestellt werden. Dem Bestreben des Gesetzes nach Offenkundigkeit sachenrechtlicher Verhältnisse entspreche es aber, das Eigentum an dem ganzen Gebäude jedenfalls dann, wenn sich der nach Umfang, Lage und wirtschaftlicher Bedeutung eindeutig maßgebende Teil des Gebäudes auf einem der Grundstücke befinde, an das Eigentum an diesem Grundstück zu binden. So liege es. Der Beschwerdeführer habe durch Vorlage eines Schreibens nachgewiesen, dass es sich um einen nachträglich entstandenen Überbau handle. Die Grundfläche der Standerker nehme etwa 2,5 % der Grundfläche des Gesamtgebäudes ein. Der auf dem auf dem aufzuteilenden Grundstück stehende Teil des Gebäudes erstrecke sich dort entlang 4 Seiten der Grundstücksgrenze vollständig und auf der fünften – hofseitigen – Grundstücksgrenze über etwa 2/3 der Grundstücksbreite. Bei einer solchen Verteilung nach Umfang und Lage könne die Möglichkeit, dass in den Erkern der nach wirtschaftlicher Bedeutung maßgebende Teil des Gebäudes liege, als gänzlich fernliegend außer Betracht gelassen werden.

 

Kommentar

Anmerkung

Die Begründung von Wohnungseigentum ist nur "in einem auf dem Grundstück errichteten oder zu errichtenden Gebäude" möglich (§§ 3, 8 WEG). Gemäß § 1 Abs. 4 WEG kann Wohnungseigentum nicht in der Weise begründet werden, dass das Sondereigentum mit Miteigentum an mehreren Grundstücken verbunden wird.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Die Begründung von Wohnungseigentum setzt voraus, dass Grundstück und Gebäude eigentumsrechtlich eine Einheit bilden. Probleme ergeben sich daher, wenn es darum gilt, Wohnungseigentum auf einem Stammgrundstück und einem benachbarten Grundstück zu begründen, vor allem bei einem Überbau. Nach dem Grundsatz der §§ 93, 94 BGB steht der Überbau grundsätzlich im Eigentum des Nachbarn und kann deshalb nicht in Wohnungseigentum aufgeteilt werden. Sofern jedoch der Überbau nach den allgemeinen sachenrechtlichen Regeln des BGB nicht selbstständiges Eigentum ist, sondern das gesamte Gebäude als einheitliches Gebäude wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks ist und ihm eigentumsrechtlich zugeordnet werden kann, ist die Bildung von Wohnungseigentum am Stammgrundstück und damit am gesamten Gebäude möglich.

 

Link zur Entscheidung

KG Berlin, Beschluss v. 23.7.2015, 1 W 759/15

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