Rz. 1

Ein neues IPRG wurde im Jahr 2007 vom türkischen Gesetzgeber verabschiedet und ist am 12.12.2007 in Kraft getreten.[1] Die Regelung zum Erbrecht ist jedoch identisch geblieben.[2]

Das IPRG enthält keine Übergangsbestimmungen, da in Art. 1 EinfG zum ZGB[3] der allgemeine Grundsatz des Rückwirkungsverbots von Gesetzen festgeschrieben ist. Daher sind auf die Erbfolge die (unveränderten) Normen des neuen Gesetzes anzuwenden, wenn der Erblasser nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes verstorben ist.[4]

Die Erbfolge unterliegt gem. Art. 22 des türkischen Gesetzes über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht (IPRG)[5] dem Heimatrecht des Verstorbenen. Ausgenommen ist das in der Türkei belegene Immobiliarvermögen, welches nach dem türkischen Belegenheitsrecht vererbt wird. Darüber hinaus unterliegen auch die Eröffnung des Erbgangs, der Erwerb und die Teilung der Erbschaft dem jeweiligen Belegenheitsrecht (Art. 22 Abs. 2 IPRG), also die gesamte Nachlassabwicklung.[6]

 

Rz. 2

Sowohl nach Art. 75 Abs. 1 EuErbVO[7] als auch nach Art. 1 Abs. 2 IPRG gehen Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen den nationalen IPR-Regelungen vor.[8]

 

Rz. 3

Im deutsch-türkischen Verhältnis bestimmt sich das auf die Erbfolge anwendbare Recht nach den §§ 14 ff. der Anlage zu Art. 20 des Deutsch-Türkischen Konsularvertrages vom 28.5.1929 (Nachlassabkommen – NA).[9] Dieses Abkommen gilt laut Bekanntmachung vom 26.2.1952[10] im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Türkei fort.[11] Gemäß § 14 NA bestimmen sich die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des beweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte (§ 14 Abs. 1 NA), und in Ansehung des unbeweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt (§ 14 Abs. 2 NA). Auch hiernach unterliegt die Erbfolge grundsätzlich dem Heimatrecht des Erblassers, bei einer in der Türkei belegenen Immobilie dem türkischen Recht. Für in Deutschland belegenen unbeweglichen Nachlass gilt jedoch auch bei einem türkischen Erblasser zwingend deutsches Recht. Damit tritt für deutsche Immobilien eines türkischen Erblassers stets Nachlassspaltung ein. Ein weiterer Unterschied zur EuErbVO ergibt sich daraus, dass das Nachlassabkommen kein Errichtungsstatut vorsieht.[12]

 

Rz. 4

Was zum beweglichen und zum unbeweglichen Nachlass gehört (Qualifikation), wird nach dem Recht des Staates entschieden, in dem sich der Nachlass befindet (§ 12 Abs. 3 NA).

 

Rz. 5

Angesichts der zwingenden Normen des Nachlassabkommens scheint eine Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB lediglich deklaratorische Bedeutung zu haben. Jedoch wird eine Rechtswahl zu Recht für sinnvoll gehalten, weil hiermit eventuellen Änderungen der Rechtslage z.B. einer eventuellen Aufhebung des Nachlassabkommens Rechnung getragen würde.[13]

 

Rz. 6

Für das für die Formwirksamkeit letztwilliger Verfügungen anwendbare Recht gilt seit dem 22.10.1983 in Ansehung der Türkei das Haager Testamentsformübereinkommen.[14] Zwischen Deutschland[15] und der Türkei sind dessen Bestimmungen vorrangig anwendbar.[16] Freilich betrifft dies nur den Anwendungsbereich des Abkommens, also nicht Erbverträge und Erbverzichtsverträge. Für die Formwirksamkeit derartiger Verfügungen gilt also weiterhin gem. Art. 16 Abs. 1 NA alternativ die Formwirksamkeit nach dem Ortsrecht (lex loci actus) und dem Heimatrecht (lex patriae) des Erblassers bei Errichtung.

 

Rz. 7

Da beide Rechtssysteme als kontinentaleuropäische ein gleiches Familien-, Eigentums- und Erbrechtsverständnis aufweisen, spielt der ordre public (Art. 5 IPRG) i.d.R. keine große Rolle. Trotzdem sollte man in der deutsch-türkischen Rechtspraxis auf solche Institutionen wie gemeinschaftliche Testamente, die das türkische Rechtssystem nicht zulässt, verzichten.[17]

[1] Amtsblatt Nr. 26728 v. 12.12.2007; Krüger/Nomer-Ertan, Neues Internationales Privatrecht in der Türkei, IPRax 2008, 281.
[2] Sebnem Akipek, Länderbericht Türkei, in: NomosKommentar BGB, Band V: Erbrecht, 5. Aufl. 2018, S. 2165–2178; Kiliç, in: Fischer/Kühne/Warlich, Anwaltformulare Bankvermögen im Erbfall, S. 571 f.
[3] Gesetz Nr. 4722/2001.
[4] Krüger, Neues Internationales Privatrecht in der Türkei, IPRax 2008, 281.
[5] In Kraft seit dem 22.11.1982, deutsche Übersetzung von Krüger, IPRax 1982, 256.
[6] Tekinalp, RabelsZ 1982, 46.
[7] Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ABl EU L 201 vom 27.7.2012, S. 107); sie gilt für alle Erbfälle der EU-Staatsangehörigen innerhalb der EU ab dem 17.8.2015 (Art. 84).
[8] Kiliç, in: Fischer/Kühne/Warlich, Anwaltformulare Bankvermögen im Erbfall, S. 572; siehe auch Müller-Lukoschek, § 3 Rn 63–65; siehe auch Gebauer, Das deutsch-türkische Nachlassabkommen im Sog des Europäischen Kol...

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