I. Abstammung

 

Rz. 177

Der türkische Gesetzgeber hat von der Unterscheidung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern Abstand genommen. Mit der weitgehenden Rezeption des schweizerischen ZGB hat der türkische Gesetzgeber das Kindschaftsrecht den internationalen Verpflichtungen und Anforderungen gerecht gestaltet.

 

Rz. 178

Die Interessen des Kindes stehen bei der Feststellung der Vaterschaft im Vordergrund. Die Rechte der außerehelichen Väter wurden gestärkt und u.a. mit dem Art. 298 türkZGB wurden die äußerst knapp bemessenen Klagefristen auf eine vernünftige Zeitspanne angehoben.

 

Rz. 179

Der Großvater kann nach dem Tod des Vaters die Anerkennung des Kindes nicht betreiben. Nach dem türkischen Recht der Vater selbst die Möglichkeit, das Kind durch öffentliche Urkunde, letztwillige Verfügung oder mit einer schriftlichen Erklärung gegenüber dem Standesbeamten (Nüfus Müdürlügü – Personenstandsregister) oder dem Gericht anzuerkennen (Art. 295 Abs. 1 türkZGB).

 

Rz. 180

Die Zeugung durch einen Dritten wurde im türkZGB mit Rücksicht auf die türkischen Sitten nicht geregelt.[234] Diese Sorge ist pathetisch. Das Zivilgesetzbuch ist kein Moralgesetz, sondern soll das Leben möglichst umfassend regeln. Deshalb wäre es sinnvoll gewesen, wenn der türkische Gesetzgeber die Anfechtung der Vaterschaft in den Fällen ausgeschlossen hätte, in denen der Ehemann der Zeugung durch einen Dritten zugestimmt hat.[235] Das heißt nicht, dass der natürliche Vater nicht festgestellt werden darf, da Statusfragen nicht mit einer Willenserklärung außer Kraft gesetzt werden dürfen. Hier ist vielmehr die Vaterschaft mit Fürsorge- und finanziellen Verpflichtungen gemeint.[236]

[234] Akintürk/Karaman, Aile Hukuku (Familienrecht), S. 346 f.
[235] So in Art. 256 Abs. 3 schwZGB.
[236] Siehe auch: "Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Im Verhältnis zu jedem Elternteil kann sie nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört. Ist die Mutter verheiratet, kann gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 3 EGBGB die Abstammung ferner nach dem Recht bestimmt werden, dem die allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe bei der Geburt nach Art. 14 Abs. 1 EGBGB unterlagen." Beschl. des BGH, 12. Zivilsenat, v. 26.7.2017, XII ZB 125/17, Rn 12.

II. Adoption

 

Rz. 181

Haben die Parteien unterschiedliche Staatsangehörigkeiten, müssen sie i.d.R. die Adoptionsvoraussetzungen nach dem jeweiligen nationalen Recht erfüllen. Es müssen also die Voraussetzungen beider Rechtssysteme erfüllt sein. Dies ist in Fällen von deutsch-türkischen Adoptionen relevant. Die Türkei hat bereits im Jahre 2004 das Haager Adoptionsübereinkommen ratifiziert. Die Türkei verankert einerseits die Volladoption, andererseits wird das Verhältnis des Adoptivkindes zu seinen leiblichen Eltern nicht vollständig abgebrochen. Das Adoptivkind bleibt weiterhin auch Erbe seiner leiblichen Eltern. Kinderlosigkeit ist keine Voraussetzung für die Adoption. Diese Schlussfolgerung lassen die Regelungen des Art. 305 Abs. 2 und Art. 313 türkZGB zu.

 

Rz. 182

Die gemeinschaftliche Adoption durch Ehegatten ist vom türkischen Gesetzgeber als Regelfall vorgesehen. Die Ehegatten müssen das 30. Lebensjahr vollendet haben. Anderenfalls müssen sie seit mindestens fünf Jahren miteinander verheiratet sein (Art. 306 Abs. 1 und 2 türkZGB).

 

Rz. 183

Eine gemeinschaftliche Adoption durch nichtverheiratete Paare ist nicht gestattet (Art. 306 Abs. 1 türkZGB). Verheiratete Personen dürfen nur dann alleine adoptieren, wenn sie eine der folgenden Fälle nachweisen können: Der andere Ehegatte ist dauerhaft urteilsunfähig oder seit mehr als zwei Jahren mit unbekanntem Aufenthalt. Oder die Ehegatten leben seit mehr als zwei Jahren mit einer gerichtlichen Entscheidung getrennt (Art. 307 Abs. 2 türkZGB). Nichtverheiratete Personen dürfen alleine adoptieren, wenn sie das 30. Lebensjahr vollendet haben und die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 307 Abs. 1 türkZGB).

 

Rz. 184

Die Reform des türkZGB schließt die Privatadoption aus und lässt die Adoptionsvermittlung nur durch hierfür zugelassene Institutionen zu (Art. 320 türkZGB).

 

Rz. 185

Die Adoption durch einen türkischen Staatsangehörigen hat keinen Einfluss auf die Staatsangehörigkeit des Adoptierten. Ein minderjähriger Adoptierter wird nur dann mit der Adoption automatisch die türkische Staatsangehörigkeit erhalten, wenn er staatenlos ist oder seine Eltern entweder nicht auffindbar oder unbekannten Aufenthalts sind (Art. 3 türkStAG).[237]

 

Rz. 186

Die Adoption von Minderjährigen wird im türkZGB zum Schutze des Kindes institutionalisiert. Minderjährige dürfen nur dann adoptiert werden, wenn die Adoptiveltern sie vorher mindestens ein Jahr lang gepflegt haben (Art. 305 Abs. 1 türkZGB). Die Adoption darf die Interessen der anderen Kinder des Adoptierenden nicht in unbilliger Weise verletzen (Art. 305 Abs. 2 türkZGB). Die Adoptiveltern müssen mindestens 18 Jahre älter se...

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