Leitsatz

Sofern sich aus der Gemeinschaftsordnung keine Regelungen zum Trittschallniveau entnehmen lassen, ist für den maßgeblichen Trittschallwert grundsätzlich auf die Ausgabe der DIN 4109 abzustellen, die zur Zeit der Einrichtung des betreffenden Gebäudes galt. Ein ursprünglich besonderes Gepräge durch eine bei Errichtung vorhandene Ausstattung der Wohnungseigentumsanlage kann nach einem längeren Zeitablauf (hier 30 Jahre nach Errichtung) durch den im Laufe der Zeit eingetretenen Wandel entfallen

 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1, 15 WEG; § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB

 

Das Problem

Wohnungseigentümer K lebt in einer 1971/1972 errichteten Wohnungseigentumsanlage M. Diese besteht aus einem großen Hotelbetrieb nebst 320 Appartements, für die jeweils ein Wohnungserbbaurecht bestellt wurde. K hat sein Wohnungseigentum 2006 erworben. Auch Wohnungseigentümer B hat in diesem Jahr sein Wohnungseigentum erworben. Sein Sondereigentum liegt direkt über K's Sondereigentum. Im März 2006 lässt B den bei Erwerb in seinem Sondereigentum bereits vorhandenen Teppichboden entfernen und stattdessen Parkettboden einbauen. Seit 2008 beanstandet K den aus B's Sondereigentum stammenden Trittschall und klagt seit 2011 gegen B auf Unterlassung.

 

Die Entscheidung

  1. Erfolglos! K habe keinen Anspruch aus § 1004 BGB i.V.m. §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG, dass B den Parkettboden entfernt und einen anderen Bodenbelag mit besserer Trittschalldämmung verlegt.
  2. Wann im Hinblick auf den Trittschall in einem Sondereigentum ein über das unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG anzunehmen sei, bestimme sich vorrangig nach den Regelungen in der Teilungserklärung bzw. später getroffenen Vereinbarungen. Solche gäbe es in der Wohnungseigentumsanlage M nicht. Fehlten Bestimmungen der Wohnungseigentümer, sei grundsätzlich auf die Ausgabe der DIN 4109 abzustellen, die zur Zeit der Errichtung des betreffenden Gebäudes galt (Hinweis auf BGH v. 1.6.2012, V ZR 195/11, NJW 2012 S. 27 Rn. 25). Bei M's Errichtung galt die DIN 4109 in der Ausgabe des Jahres 1962, die eine Trittschallgrenze von 63 dB vorsah. Dieser Wert werde durch den Parkettboden eingehalten.
  3. K's Auffassung, es sei auf die Trittschallgrenze der DIN 4109 in der Ausgabe des Jahres 1989 abzustellen, weil die Beklagten den Parkettboden erst im Jahr 2006 und damit zu einer Zeit, als bereits die spätere Ausgabe der DIN 4109 aus dem Jahr 1989 galt, eingebaut haben, sei falsch. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führe der nachträgliche Austausch eines Bodenbelags nicht dazu, dass sich die Anforderungen an den Schallschutz veränderten.
  4. Ein höheres Trittschallniveau als das durch die DIN 4109 in der Ausgabe des Jahres 1962 vorgegeben, ergebe sich auch nicht aus anderen Umständen. Es könne zwar im Einzelfall ein höheres Trittschallniveau maßgebend sein, sofern sich aus der Gemeinschaftsordnung Regelungen zum Schallschutz ergeben oder die Wohnungseigentumsanlage aufgrund tatsächlicher Umstände ein besonderes Gepräge erhalten habe wie beispielsweise durch eine bei der Errichtung vorhandene Ausstattung oder aber durch das Wohnumfeld.
  5. Das sei hier aber nicht anzunehmen. Aus der Gemeinschaftsordnung ergebe sich nichts. Es sei aber auch keine besondere Prägung der Wohnungseigentumsanlage festzustellen. Allerdings sei die Wohnungseigentumsanlage durch ein höheres Trittschallniveau als den durch die DIN 4109 vorgegebenen Mindeststandard geprägt gewesen. Bei Errichtung seien sämtliche Wohnungen mit Teppichboden ausgelegt gewesen. Damit habe in der Wohnungseigentumsanlage – jedenfalls in Bezug auf die dort befindlichen Appartements – allgemein ein geringerer Trittschall geherrscht als der durch die DIN 4109 in der Ausgabe des Jahres 1962 vorgegebene Wert von 63 dB. Die Prägung entfalte mittlerweile aber keine Wirkung mehr. Dies gelte insbesondere im Verhältnis zu B, der erst 35 Jahre nach Errichtung der Wohnungseigentumsanlage sein Appartement erworben habe. Es sei schon fraglich, ob eine bei der Errichtung einer Wohnungseigentumsanlage durch eine bestimmte Form der Ausstattung vorhandene Prägung auch über einen langen Zeitraum von mehr als 30 Jahren hinweg noch als fortbestehend angesehen werden könne. Aufgrund des erheblichen Zeitablaufs seit der Errichtung der Wohnungseigentumsanlage hätten sich die dortigen Verhältnisse derart verändert, dass die vormals vorhandene Prägung des Schallschutzniveaus durch den ursprünglich in allen Appartementzimmern verlegten Teppichboden nicht mehr in der gleichen Weise wie bei der Errichtung des Gebäudes Geltung habe. Neben diesem Wandel sei ein weiterer Aspekt entscheidend: Für die Frage, welches Schallschutzniveau im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander maßgeblich sei, dürfe im Hinblick auf die Rechtsposition späterer Erwerber nur auf auch für diese erkennbare Umstände abgestellt werden. B habe bei seinem Erwerb aber nicht in zumutbarer Weise erkennen können, welches Schallschutzniveau maßgeblich war.
 

Kommentar

Anmerkung

Verändert ein Wohnungs...

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