Rz. 57

Eine zustimmungsbedürftige Umgruppierung kann auf verschiedenen Sachverhalten beruhen:

3.3.2.1 Änderung einer Vergütungsordnung

 

Rz. 58

Eine Vergütungsordnung ändert sich, weshalb alle Arbeitnehmer ohne Änderung der tatsächlichen Tätigkeit neu eingruppiert werden müssen (BAG, Beschluss v. 9.3.1993, 1 ABR 48/92; BAG, Beschluss v. 18.1.1994, 1 ABR 42/93[1]; BAG, Beschluss v. 10.12.2002, 1 ABR 27/01[2]).

 
Praxis-Beispiel

Neue Lohn- und Gehaltsgruppeneinteilung; Neufassung oder Vermehrung der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale, Änderung der Zahl der Vergütungsgruppen.

 

Rz. 59

Werden also aufgrund eines neuen Tarifvertrags die bisherigen Entgeltgruppen oder deren Tätigkeitsmerkmale ganz oder teilweise geändert oder vermehrt (BAG, Beschluss v. 12.1.1993, 1 ABR 60/90[3]), so ist auch die sich daraus ergebende Neueingruppierung der betroffenen Arbeitnehmer eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung. Es ist ebenso wie bei der erstmaligen Zuweisung einer Tätigkeit oder der Zuweisung einer anderen Arbeit bei der Versetzung notwendig zu entscheiden, welchen der neuen Tätigkeitsmerkmale die von den Arbeitnehmern tatsächlich auszuübenden Tätigkeiten entsprechen (BAG, Beschluss v. 18.6.1991, 1 ABR 53/90[4]).

 

Rz. 60

Sind die Arbeitnehmer mit Zustimmung des Betriebsrats in eine Entgeltgruppe eines Tarifvertrags eingruppiert und übernimmt der nachfolgende Tarifvertrag sowohl die bisherigen Gehaltsgruppen als auch die von ihnen vorausgesetzten abstrakten Tätigkeitsmerkmale, so bedarf es dennoch einer Umgruppierung, wenn im geltenden Tarifvertrag andere Faktoren, wie z. B. anstelle von Lebensalter die Beschäftigungszeit in der Gehaltsgruppe, eingeführt werden (BAG, Beschluss v. 3.10.1989, 1 ABR 66/88). Nur soweit die Änderungen lediglich redaktioneller Natur sind, ist keine Neueingruppierung erforderlich (BAG, Beschluss v. 27.7.1993, 1 ABR 11/93[5]).

[1] NZA 1994, 901.
[2] BAGE 2004, 187.
[3] NZA 1991, 903.
[4] NZA 1991, 852.
[5] NZA 1994, 952.

3.3.2.2 Zuweisung einer anderen Tätigkeit

 

Rz. 61

Dem Arbeitnehmer wird aufgrund Direktionsrechts, einer einvernehmlichen Regelung oder einer Änderungskündigung eine andere Tätigkeit zugewiesen, die den Tätigkeitsmerkmalen einer anderen Vergütungsgruppe entspricht (h. M).

 
Hinweis

Ist die Umgruppierung mit einer Versetzung verbunden, hat der Betriebsrat bezüglich beider Tatbestände ein Beteiligungsrecht.

Wird eine Änderungskündigung ausgesprochen, ist § 102 BetrVG zu beachten.

3.3.2.3 Änderung der "Wertigkeit" einer Tätigkeit

 

Rz. 62

Der Arbeitnehmer "wächst" durch faktische Veränderungen von Arbeitsanfall und -anforderungen in eine andere Vergütungsgruppe hinein (BAG, Urteil v. 30.5.1990, 4 AZR 40/90), weil sich die Tätigkeit in ihrer Wertigkeit geändert hat.

3.3.2.4 Korrektur einer irrtümlichen Eingruppierung

 

Rz. 63

Der Arbeitgeber will eine nach seiner Auffassung irrtümliche Eingruppierungsentscheidung korrigieren (BAG, Beschluss v. 20.3.1990, 1 ABR 20/89[1]). Wird eine zu hohe Vergütung rechtsgrundlos gezahlt, so kann die Zahlung einseitig vom Arbeitgeber eingestellt werden (BAG, Urteil v. 18.2.1998, 4 AZR 581/96[2]). Der Arbeitgeber hat aber im Streitfall darzulegen und ggf. zu beweisen, dass zumindest eine Voraussetzung der bisher gezahlten Vergütungsgruppe objektiv nicht gegeben war (BAG, Urteil v. 17.5.2000, 4 AZR 232/99[3]; BAG, Urteil v. 26.4.2000, 4 AZR 157/99[4]). Hat der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht bei der korrigierenden Rückgruppierung verletzt, folgt daraus noch nicht, dass er die bisherige Vergütung weiterzahlen muss. Vielmehr richtet sich der Vergütungsanspruch nach der zutreffenden Eingruppierung (BAG, Urteil v. 30.5.1990, 4 AZR 74/90[5]). Da es bei der korrigierenden Rückgruppierung ausschließlich darum geht, dass der Arbeitgeber seine Rechtsansicht geändert hat, ist der Betriebsrat solange nicht zu beteiligen, als der Arbeitgeber an der bisherigen Eingruppierung festhält.[6]

[1] NZA 1990, 699.
[2] NZA 1998, 950.
[3] NZA 2001, 1395.
[4] NZA 2001, 1391.
[5] NZA 1990, 899.
[6] Richardi/Thüsing, § 99 Rz. 85.

3.3.2.5 Gewährung oder Wegfall einer Zulage

 

Rz. 64

Sieht eine Vergütungsordnung eine Zulage vor, für die neben den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen weitere Merkmale vorliegen müssen, stellt die Zulage also eine Zwischenstufe zwischen den einzelnen Vergütungsgruppen dar, ist die Gewährung oder der Wegfall dieser Zulage eine nach § 99 BetrVG zustimmungspflichtige Umgruppierung (BAG, Beschluss v. 2.4.1996, 1 ABR 50/95[1]).

[1] BB 1996, 1724.

3.3.2.6 Aufstieg zum AT-Angestellten

 

Rz. 65

Steigt ein Arbeitnehmer zum AT-Angestellten auf und besteht für diesen Personenkreis kein differenziertes betriebliches Vergütungsschema, ist diese Maßnahme entgegen der Auffassung des BAG (BAG, Beschluss v. 17.6.2008, 1 ABR 37/07[1]; Beschluss v. 31.10.1995, 1 ABR 5/95[2]) und weiten Teilen der Literatur[3] keine beteiligungspflichtige Umgruppierung. Der Arbeitnehmer wird nämlich gerade nicht umgruppiert, er wird vielmehr überhaupt nicht mehr eingruppiert, sein Gehalt wird einzelvertraglich vereinbart (vgl. auch ArbG Düsseldorf, Beschluss v. 22.6.1988, 6 BV 60/88[4]). Der Betriebsrat kann allenfalls die Durchführung eines Beteiligungsverfahrens verlangen, wenn er der Auffassung ist, der Arbeitnehmer sei aufgrund seiner ausgeübten Tätigkeit weiterhin in ein Entgeltschem...

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