Rz. 22

Parteipolitische Betätigung liegt nicht nur in dem Eintreten für eine Partei, sondern auch für jede sonstige politische Gruppierung oder für eine bestimmte politische Richtung (BAG, Beschluss v. 12.6.1986, 6 ABR 67/84[1]). Die strengen Grundsätze, die § 75 Abs. 2 Satz 2, 1. HS BetrVG den Amtsträgern in der Betriebsverfassung auferlegt, indem er jede parteipolitische Betätigung verbietet, sind nur eingeschränkt anzuwenden. Sie gelten lediglich dann, wenn und soweit es um die in § 45 BetrVG geregelte Behandlung von Angelegenheiten durch Diskussionsbeiträge, Referate u. Ä. geht. Unzulässig sind insofern etwa Werbung und Propaganda für politische Parteien.

 

Rz. 23

Handelt es sich um sonstige, insbesondere nonverbale parteipolitische Betätigungen, wie z. B. das Tragen einer Plakette oder Halten eines Transparents, gelten lediglich die sich aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht ergebenden Schranken. Danach sind lediglich provozierende Betätigungen unzulässig, die den Betriebsfrieden oder den Betriebsablauf konkret stören können (s. dazu etwa BAG, Urteil v. 9.12.1982, 2 AZR 620/80[2]).

 
Hinweis

Das Gebot der parteipolitischen Neutralität schließt nicht die Behandlung politischer Themen aus, sofern diese den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar berühren. Das Verbot der "Parteipolitik" bedeutet nicht, dass die Erörterung politischer Themen verboten ist. Daher wird die Erörterung und die Stellungnahme zu einem Thema, das sich mit den Vorstellungen einer Partei deckt, keineswegs ausgeschlossen.[3]

 
Praxis-Beispiel

Auch ein Politiker darf einen sachlichen Vortrag über ein den Betrieb unmittelbar betreffendes Thema halten. Es liegt aber eine unzulässige parteipolitische Betätigung vor, wenn ein derartiges Referat zu Zeiten des Wahlkampfes von einem Spitzenpolitiker in seinem Wahlkreis im Rahmen seiner Wahlkampfstrategie gehalten wird (BAG, Beschluss v. 13.9.1977, 1 ABR 67/75[4]).

 

Rz. 24

Das Verbot parteipolitischer Betätigung hat zum einem den Sinn, aus parteipolitischen Auseinandersetzungen folgende Spannungen auszuschließen, zum anderen soll aber zugleich die parteipolitische Neutralität der Betriebsversammlung hergestellt und auf diese Weise sichergestellt werden, dass die Arbeitnehmer in ihrer Meinungs- und Wahlfreiheit als Staatsbürger nicht beeinflusst werden (vgl. BAG, Beschluss v. 12.6.1986, 6 ABR 67/84[5]). Aus diesem Schutzzweck folgt, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einvernehmlich über das Verbot der parteipolitischen Betätigung hinwegsetzen können.

[1] DB 1987, 1898.
[2] NJW 1984, 1142, 1143.
[3] GK-Weber, § 45 BetrVG Rz. 29.
[4] DB 1977, 2452.
[5] DB 1987, 1898.

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