5.1 Allgemeines

 

Rz. 11

Durch das am 18.6.2021 in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungsgesetz[1] schafft der Gesetzgeber durch die neu eingefügten Absätze 2 und 3 nun dauerhaft die Möglichkeit, dass Betriebsratssitzungen (und auch GBR und KBR-Sitzungen sowie die Sitzungen der Ausschüsse dieser Organe) auch mittels Video- und Telefonkonferenz ("virtuell") stattfinden können. Die Vorschrift schließt an § 129 BetrVG an, der nur bis zum 30.6.2021 galt und für Betriebsräte während der COVID-19-Pandemie die zuvor nicht bestehende Möglichkeit eröffnet hat, Betriebsratssitzungen vollständig virtuell oder in Hybrid-Form mit im Raum anwesenden und zugleich zugeschalteten Teilnehmenden abzuhalten und dort insbesondere auch wirksame Beschlüsse zu fassen.

Allerdings wurden die Regelungen des § 129 BetrVG nur in abgeschwächter Form übernommen. Die Nutzung von Video- und Telefonkonferenz besteht nach den Änderungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz nicht mehr für Sitzungen der Einigungsstelle; auch Betriebsversammlungen können nicht mehr virtuell durchgeführt werden.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber nunmehr in § 30 Abs. 1 Satz 5 BetrVG den Vorrang der Präsenzsitzung festgeschrieben und die Durchführung von Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz in § 30 Abs. 2 BetrVG an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Parallel zu dieser Änderung hat der Gesetzgeber in § 33 Abs. 1 Satz 2 BetrVG klargestellt, dass im Falle einer Teilnahme mittels Video- oder Telefonkonferenz dieses Betriebsratsmitglied als anwesend gilt. Daraus folgt, dass der Betriebsrat auch unter Nutzung von Video- und Telefonkonferenz grundsätzlich wirksame Beschlüsse fassen kann.

[1] Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt vom 14.6.2021, in Kraft seit 18.6.2021, BGBl. I 2021, S. 1762.

5.2 Vorrang der Präsenzsitzung

 

Rz. 12

Aus § 30 Abs. 1 Satz 5 BetrVG wie auch aus § 30 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ergibt sich, dass die Präsenzsitzung weiterhin der Regelfall der Betriebsratssitzung ist, was sich damit rechtfertigen lässt, dass bei einer Präsenzsitzung eine Kommunikation unter den anwesenden Betriebsratsmitgliedern, sei es in der Sitzung selbst, sei es aber auch in Randgesprächen, deutlich leichter möglich ist, als bei der Nutzung von Video- und vor allem von Telefonkonferenzen.

Umgekehrt besteht keinerlei Pflicht des Betriebsrats, für seine Sitzungen Video- oder Telefonkonferenz-Technik zu nutzen. Das ergibt sich bereits aus § 30 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, wonach die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung in dieser Weise erfolgen kann, aber eben nicht muss.

Die Nutzung von Video- und Telefonkonferenztechnik ist zur Wahrung des Vorrangs der Präsenzsitzung an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die § 30 Abs. 2 BetrVG festlegt. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen Hybrid-Sitzungen, zu denen nur einzelne Mitglieder zugeschaltet sind und vollständig virtuellen Sitzungen, sodass für beide Sitzungsformen die Voraussetzungen nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG eingehalten sein müssen.

Abweichend vom Vorrang der Präsenzsitzung kann die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn kumulativ ("und") die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

  1. Die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme müssen in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sein,
  2. nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats darf binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber dieser Art der Teilnahme widersprechen und
  3. es muss sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

5.3 Zulässigkeit der Teilnahme mittels Video- und Telefonkonferenz

5.3.1 Regelung in der Geschäftsordnung

5.3.1.1 Regelungsinhalt

 

Rz. 13

Erste Voraussetzung ist, dass in der Geschäftsordnung des Betriebsrats nach § 36 BetrVG die Möglichkeit einer solchen Teilnahme unter Vorrang der Präsenzsitzung festgelegt ist.

Welche Anforderungen an die Regelung in der Geschäftsordnung zu stellen sind, regelt das Gesetz nur rudimentär. Vorgegeben ist allein, dass der Vorrang der Präsenzsitzung gewahrt ist. Daher wird in der Geschäftsordnung geregelt werden müssen, unter welchen konkreten Vorgaben eine virtuelle Sitzungsteilnahme möglich ist. Dabei hat der Betriebsrat jedoch einen erheblichen Ermessensspielraum.

Die Gesetzesbegründung[1] schlägt vor, dass der Vorrang der Präsenzsitzung beispielsweise

  • durch eine Begrenzung der Anzahl von Sitzungen, die ganz oder teilweise als Video- und Telefonkonferenz durchgeführt werden können, oder
  • durch eine Beschränkung auf bestimmte Themen oder auf Sachverhalte, bei denen der Betriebsrat eine möglichst schnelle Befassung für angezeigt hält oder
  • durch eine Begrenzung auf Fälle, in denen sie dem Gesundheitsschutz der Betriebsratsmitglieder dient,

gesichert werden kann. Hierbei sind die Gestaltungsmöglichkeiten in der Geschäftsordnung nicht begrenzt. In der Geschäftsordnung kann auch die virtuelle Teilnahme auf die Nutzung von Videokonferenzen begrenzt und die Telefonkonferenz ausgeschlossen werden, da die Videokonferenz deutlich bessere Kommunikationsmöglich...

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