3.1 Voraussetzungen

 

Rz. 9

Wenn der Betriebsrat acht Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit noch keinen Wahlvorstand bestellt hat, kann die Bestellung durch das Arbeitsgericht beantragt werden (§ 16 Abs. 2 S. 1 BetrVG). In Fällen der vorzeitigen Neuwahl des Betriebsrats nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BetrVG kann der Antrag auf Bestellung des Wahlvorstands durch das Arbeitsgericht gestellt werden, wenn zwei Wochen von dem Tag an vergangen sind, von dem der Betriebsrat den Wahlvorstand bei unverzüglichem Handeln hätte bestellen müssen[1] (Hessisches LAG, Beschluss v. 8.12.2005, 9 TaBV 88/05). Diese Frist erscheint nicht zwingend. Angesichts der überwiegend in der Literatur vertretenen Auffassung ist den Betriebsratsgremien jedoch anzuraten, sich nach dieser Frist zu richten.

Der Betriebsrat kann die Bestellung des Wahlvorstands bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts noch selbst durchführen.[2]

Nach Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats kann die Bestellung durch das Arbeitsgericht nicht mehr beantragt werden. Es liegt dann ein betriebsratsloser Betrieb vor, sodass der Wahlvorstand in diesem Fall nach Maßgabe des § 17 BetrVG oder des § 17a BetrVG zu bestellen ist. Ein rechtzeitig eingeleitetes Bestellungsverfahren kann jedoch fortgeführt werden. Für die Zuordnung eines Bestellungsverfahrens zu § 16 Abs. 2 BetrVG oder zu § 17 Abs. 4 BetrVG kommt es auf den Zeitpunkt der Antragstellung an (BAG, Beschluss vom 23.11.2016, 7 ABR 13/15).

[1] Nicolai in Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose, BetrVG, § 16 Rz. 34; Richardi, § 16 BetrVG Rz. 33 m. w. N.; Fitting, Rz. 58.
[2] Siehe bereits oben Rz. 3.

3.2 Verfahren

 

Rz. 10

Das arbeitsgerichtliche Bestellungsverfahren wird im Beschlussverfahren auf Antrag entschieden (§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ArbGG, §§ 80 ff. ArbGG). Zuständig für das Verfahren ist ausschließlich das Arbeitsgericht am Betriebssitz (§ 82 ArbGG). Antragsberechtigt sind mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs (§ 7 BetrVG). Diese Arbeitnehmer müssen während des Verlaufs des Verfahrens antragsberechtigt bleiben. Insofern unterscheidet sich die Lage von der bei der Wahlanfechtung. Dort können andere Wahlberechtigte ein Wahlanfechtungsverfahren wegen Fristablaufs nicht mehr initiieren, die Bestellung (oder Ergänzung) eines Wahlvorstandes kann hingegen jederzeit betrieben werden (BAG Beschluss v. 20.2.2019, 7 ABR 40/17, LAG München, Beschluss v. 7.12.2011, 11 TaBV 74/11, a. A. LAG Hamm, Beschluss v. 2.10.2009, 10 TaBV 27/09 lediglich unter Verweis auf die vermeintlich gleiche Lage bei der Wahlanfechtung). Insbesondere im Fall einer Kündigung der Arbeitnehmer entfällt deren aktive Wahlberechtigung und damit das Antragsrecht, wenn sie nicht weiter im Betrieb beschäftigt werden.[1] Der Antrag wird damit unzulässig anders als bei der Wahlanfechtung, bei der nach der Rechtsprechung die Unzulässigkeit erst bei Ausscheiden aller Antragssteller eintritt.

Nach der AÜG-Novelle zum 1.4.2017 erhebt sich die Frage, ob auch Leiharbeitnehmer antragsbefugt sind. Das hängt davon ab, ob die Zahl "3" auch ein Schwellenwert in dem Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG ist. Auf den ersten Blick scheint das der Fall zu sein. § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG will aber lediglich anordnen, dass die Zeitarbeitnehmer bei Schwellenwerten mitzählen. Aktive Rechte sollen ihnen wohl nicht zukommen. Daher wird § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG einschränkend dahin auszulegen sein, dass Zeitarbeitnehmer überall dort nicht automatisch einbezogen werden, wo die festgelegte Zahl das reine Zählen hinaus weitergehende Rechte mit sich bringt; das Gesetz bringt das zum Ausdruck, indem es anordnet, die Leiharbeitnehmer seien (nur) zu berücksichtigen. Das ist hier der Fall.

Antragsberechtigt ist auch jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Im Betrieb vertreten ist eine Gewerkschaft, wenn mindestens ein im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer bei ihr organisiert ist; nicht gezählt werden Mitglieder, die die Gewerkschaft aufgenommen hat, obwohl die satzungsmäßigen Aufnahmevoraussetzungen offenkundig nicht vorgelegen haben (BAG, Beschluss v. 10.11.2004, 7 ABR 19/04). Hingegen ist nicht erforderlich, dass der gewerkschaftsangehörige Arbeitnehmer wahlberechtigt ist (LAG Hessen, Beschluss v. 15.5.2014, 9 TaBV 194/13). Betreibt eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft die Bestellung, hat der Arbeitgeber nach sehr zweifelhafter Ansicht des BAG die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Bestellungsverfahrens einschließlich einer Beauftragung eines Rechtsanwalts nach § 20 Abs. 3 BetrVG zu tragen (BAG, Beschluss v. 31.5.2000, 7 ABR 8/99). Allerdings sind nur erforderliche Kosten zu tragen, sodass die Rechtsanwaltskosten regelmäßig auf die Gebühren nach RVG begrenzt sind.

Die Antragsberechtigung ist Verfahrensvoraussetzung und muss deshalb noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung in der Rechtsbeschwerdeinstanz bestehen (vgl. BAG, Beschluss v. 21.11.1975, 1 ABR 12/75[2]).

 

Rz. 11

Die Antragsteller können im Bestellungsverfahren ihrerseits Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstand...

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