4.1.1 Information des Betriebsrats

 

Rz. 136

Das Mitbestimmungsverfahren bei Betriebsänderungen leitet in der Regel der Arbeitgeber ein, indem er den Betriebsrat über die geplante Maßnahme rechtzeitig und umfassend informiert (§ 111 BetrVG).

Das Gesetz sieht weitere Informationspflichten vor. Insbesondere muss der Wirtschaftsausschuss nach § 106 BetrVG und gegebenenfalls auch den Sprecherausschuss der leitenden Angestellten nach § 32 Abs. 2 SprAuG (Sprecherausschussgesetz) informieren. Regelmäßig kann die Unternehmensleitung in Kapitalgesellschaften eine größere Betriebsänderung auch nicht ohne Beschluss des Aufsichtsgremiums fassen, sodass beispielsweise in Aktiengesellschaften auch der Aufsichtsrat zu informieren ist und über die Angelegenheit zu beschließen hat. Auch ohne gesetzliche Regelung empfiehlt sich ferner die Information der betroffenen Arbeitnehmer sowie unter Umständen auch der Presse.

Die Reihenfolge der Information ist nicht festgelegt. Aus dem Selbstverständnis der betroffenen Kreise heraus folgt jedoch regelmäßig, dass zunächst das Aufsichtsgremium zu informieren ist; dort kann jedoch noch kein endgültiger, vorbehaltloser Beschluss vor Abschluss der Verhandlungen mit dem Betriebsrat gefasst werden. Danach liegt die Information der Führungskräfte nahe, zeitnah darauf diejenige von Wirtschaftsausschuss und Betriebsrat sowie dann diejenige der Arbeitnehmer und schließlich – wenn sinnvoll – der Presse. In der Kommentarliteratur wird aus der Aufgabe des Wirtschaftsausschusses, den Betriebsrat zu informieren (§ 106 Abs. 1 Satz 2 BetrVG), hergeleitet, dass die Information des Wirtschaftsausschusses vor der des Betriebsrats zumindest eingeleitet werden muss, auch wenn die Informationsphasen dann parallel verlaufen können.

4.1.2 Verhandlung über den Interessenausgleich

 

Rz. 137

Der Arbeitgeber ist – wegen der Gefahr des Nachteilsausgleichs nach § 113 BetrVG – gehalten, Verhandlungen mit dem Betriebsrat aufzunehmen und einen Interessenausgleich zu versuchen (Hessisches LAG, Beschluss v. 17.4.2007, 4 TaBV 59/07).

Es ist nicht ausgeschlossen, die Verhandlungen schon aufzunehmen, während der Arbeitgeber noch Informationen für den Betriebsrat zusammentragen muss. In der Praxis verweigert der Betriebsrat aber häufig Verhandlungen, bis er nicht zu seiner Überzeugung umfassend informiert ist. Ob solches Verhalten mit dem Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit vereinbar ist, erscheint zweifelhaft.

Eine Verpflichtung zur Einigung besteht nicht, ebenso wenig kann der Betriebsrat gegen den Willen des Arbeitgebers eine Entscheidung mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Der Interessenausgleich kann ein echter Ausgleich, also ein gegenseitiges Entgegenkommen und Nachgeben sein.

 

Rz. 138

Dem Arbeitgeber steht es im Übrigen frei, im Laufe des Verfahrens auf die ursprünglich geplante Betriebsänderung zu verzichten. Dies gilt auch dann, wenn bereits das Verfahren vor der Einigungsstelle eingeleitet ist. Dieses Verfahren erledigt sich durch den Verzicht. Die Erklärung des Arbeitgebers, auf die geplante Betriebsänderung zu verzichten, bindet ihn für die Zukunft nicht (LAG Köln, Beschluss v. 23.8.2000, 7 TaBV 35/00).

4.1.3 Verhandlung über Sozialplan

 

Rz. 139

Der Arbeitgeber steht hinsichtlich des Inhalts des Sozialplans in einer schwächeren Verhandlungsposition als hinsichtlich desjenigen des Interessenausgleichs. Denn wenn er sich nicht mit dem Betriebsrat über den Sozialplan einigt, kann dieser die Einigungsstelle anrufen, die anders als beim Interessenausgleich durch Spruch bindend entscheiden kann. Umgekehrt besteht für den Arbeitgeber nur besondere Eile hinsichtlich des Interessenausgleichs, da eine Betriebsänderung ohne versuchten Interessenausgleich Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG verursachen kann. Die Betriebsräte verknüpfen daher regelmäßig die Verhandlungen über den Interessenausgleich mit denen über einen Sozialplan.

Häufig besteht also für den Arbeitgeber doppelter Druck zur Einigung über den Sozialplan, um die geplante Betriebsänderung mit möglichst wenigen Verzögerungen umzusetzen. Daher fällt die Einigung über Interessenausgleich und die über den Sozialplan häufig zusammen.

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