3.2.3.8.1 Nachteilsausgleich

 

Rz. 94

§ 113 Abs. 1, 3 BetrVG gewährt Arbeitnehmern dann einen Abfindungsanspruch in Form des Nachteilsausgleichs, wenn der Arbeitgeber bei einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG von einem Interessenausgleich abweicht oder einen solchen nicht versucht und sie infolge der nicht von einem (versuchten) Interessenausgleich gedeckten Betriebsänderung entlassen werden. Existiert ein Sozialplan für diese Betriebsänderung und erfüllen die so Entlassenen auch die Voraussetzungen für eine Sozialplanabfindung, besteht Anspruchskonkurrenz. Die Arbeitnehmer können jeder für sich nicht kumulativ sowohl den Nachteilsausgleich als auch die Sozialplanabfindung fordern und so gleichermaßen doppelte Zahlung erlangen. Vielmehr ist der Arbeitgeber berechtigt, auf einen dem Arbeitnehmer geschuldeten Nachteilsausgleich eine bereits gezahlte Sozialplanabfindung anzurechnen (BAG, Urteil v. 20.11.2001, 1 AZR 97/01; BAG, Urteil v. 16.5.2007, 8 AZR 693/06). Das gilt aber nur, soweit der Arbeitnehmer die Sozialplanabfindung tatsächlich erhalten hat.

3.2.3.8.2 Individualabfindung

 

Rz. 95

In der Praxis kommt es zuweilen vor, dass Arbeitnehmer ihre Kündigung aufgrund Betriebsänderung gerichtlich anfechten und sich vor dem Gericht mit dem Arbeitgeber vergleichen. Spricht der Arbeitgeber in einem solchen Vergleich eine Abfindung zu, obwohl der Arbeitnehmer auch aus dem Sozialplan einen Anspruch auf Abfindungen hat, so ist – wenn keine ausdrückliche Regelung getroffen wurde – im Zweifel davon auszugehen, dass die Parteien sich stillschweigend die Anrechnung der einen Abfindung auf die andere vereinbart haben. Der Arbeitnehmer soll m.a.W. insgesamt nur den Betrag der höheren Abfindung erhalten und nicht doppelt abgefunden werden. Gleiches gilt für die Abfindung aufgrund eines Aufhebungsvertrags oder eines außergerichtlichen Vergleichs (vgl. insgesamt BAG, Urteil v. 20.11.2001, 1 AZR 97/01; BAG, Urteil v. 27.4.1994, 3 AZR 365/94; BAG, Urteil v. 13.6.1989, 1 AZR 819/87; BAG, Beschluss v. 13.12.1978, GS 1/77).

3.2.3.8.3 Gesetzliche Abfindungsoption nach § 1a KSchG

 

Rz. 96

Kündigt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer im Rahmen einer durch Sozialplan geregelten Betriebsänderung (und damit betriebsbedingt), muss er in der Kündigungserklärung grundsätzlich überhaupt keine Kündigungsgründe mitteilen. Verfährt er so, kann im Rahmen der geregelten Voraussetzungen lediglich ein Anspruch des gekündigten Arbeitnehmers auf eine Abfindung aus dem Sozialplan entstehen. Theoretisch möglich ist auch in dieser Konstellation, dass der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung mitteilt, dass die Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen erfolge und dass er außerdem auf die gesetzliche Abfindung für den Fall hinweist, dass der Arbeitnehmer innerhalb der Klagefrist keine Kündigungsschutzklage erhebt (§ 1a KSchG). Eine solche Vorgehensweise kann für den Arbeitgeber nur erwägenswert sein, wenn er die betriebsbedingte Kündigung in rechtlicher Hinsicht für unsicher hält und die Sozialplanabfindung unterhalb des Niveaus der gesetzlichen Abfindung liegt. Gerade bei Betriebsänderungen besteht allerdings die Gefahr, dass der Arbeitgeber sich über den Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber allen Arbeitnehmern in vergleichbarer Situation bindet.

Eröffnet der Arbeitgeber dennoch auch die Abfindungsoption der Arbeitnehmer und verzichten diese auf die Kündigungsschutzklage, treten ein Abfindungsanspruch aus Sozialplan und derjenige aus § 1a KSchG in Konkurrenz wie die Ansprüche auf Nachteilsausgleich und aus Sozialplan.[1] Beide Ansprüche werden also gegeneinander angerechnet.

[1] S. 2.8.1.

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