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In den §§ 112 und 112a BetrVG sind der Interessenausgleich und der Sozialplan im Fall von Betriebsänderungen mit wesentlichen Nachteilen für die Belegschaft geregelt. Während in § 112 BetrVG das Zustandekommen und der Inhalt von Interessenausgleich und Sozialplan normiert sind, statuiert § 112a BetrVG weitere Voraussetzungen für die Erzwingbarkeit eines Sozialplans, wenn die Betriebsänderung sich in einem reinen Personalabbau erschöpft oder wenn sie in einem neu gegründeten Unternehmen stattfindet. Der Interessenausgleich behandelt die Durchführung der geplanten Betriebsänderung, der Sozialplan die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die dadurch für die Arbeitnehmer entstehen. Beide sind voneinander zu unterscheiden: sie haben unterschiedliche Regelungen zum Inhalt und ihre Durchsetzbarkeit im Streitfall ist unterschiedlich geregelt.

Beide Normen regeln aber nicht, wann eine Betriebsänderung vorliegt und wann folglich Verhandlungen über einen Interessenausgleich und eventuell auch über einen Sozialplan stattzufinden haben. Dies ergibt sich vielmehr aus § 111 BetrVG, der die Betriebsänderung definiert und die Unterrichtungs- und Beratungspflicht des Arbeitgebers fixiert.

Wichtige Ergänzungen dieses Regelungskomplexes finden sich in §§ 110, 111 SGB III sowie in § 1 Abs. 5 KSchG. In den genannten Bestimmungen des SGB III sind verschiedene Fördermöglichkeiten durch die Bundesagentur für Arbeit vorgesehen, insbesondere auch sogenannte Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (BQG) in § 111 SGB III. § 1 Abs. 5 KSchG schränkt die Überprüfbarkeit einer betriebsbedingten Kündigung im Kündigungsschutzprozess ein, wenn der gekündigte Arbeitnehmer in eine Namensliste im Rahmen eines Interessenausgleichs aufgenommen wurde (§ 1 Abs. 5 KSchG).

Für die Bedeutung des Interessenausgleichs und des taktischen Vorgehens der Beteiligten ist wichtig, § 113 BetrVG in den Blick zu nehmen. Er regelt in § 113 Abs. 3 BetrVG die Sanktion, wenn der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Betriebsänderung beginnt, ohne vorher einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben. Die Folge ist, dass die Arbeitnehmer dann Ansprüche auf Abfindungen erwerben, die von den Gerichten in der Regel deutlich höher als Sozialplanabfindungen festgesetzt werden (bis zu einem Gehalt pro Jahr Betriebszugehörigkeit). Daher hat gerade der Arbeitgeber ein eigenes erhebliches Interesse daran, dass die Verhandlungen über den Interessenausgleich zügig und korrekt geführt werden, während der Betriebsrat durch Verzögerungen dieser Verhandlungen versuchen wird, die Umsetzung der Maßnahme, insbesondere den Ausspruch von Kündigungen zu verzögern, wenigstens aber im Wege eines "Deals" für die zügige Abwicklung des Interessenausgleichs höhere Abfindungen im Rahmen des zu vereinbarenden Sozialplan zu erhalten.

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