3.1.6.1 Wirkung, Auslegung

 

Rz. 33

Der Sozialplan wirkt wie eine Betriebsvereinbarung (§ 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG). Er wirkt also normativ und begründet unmittelbar Rechte und Pflichten im Verhältnis des Arbeitgebers zu den einzelnen Arbeitnehmern.

Die Auslegung von Sozialplannormen entspricht aus diesem Grund derjenigen von Gesetzen: Auszugehen ist nach Ansicht des BAG vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Außerdem sind der Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung relevant. Als besonders bedeutsam erachtet das BAG den Sinn und den Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt schließlich derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG, Urteil v. 13.2.2007, 1 AZR 163/06; BAG, Urteil v. 22.3.2005, 1 AZR 106/04; ähnlich, aber weitergehend BAG, Urteil v. 13.2.2007, 1 AZR 184/06; BAG, Urteil v. 25.3.2003, 1 AZR 335/02, die darüber hinaus in Zweifelsfällen weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags und die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen wollen).

Auf Ansprüche aus einem Sozialplan können die Arbeitnehmer in der Regel nur mit Zustimmung des Betriebsrats verzichten (§ 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG).

3.1.6.2 Durchsetzung der Ansprüche aus dem Sozialplan

 

Rz. 34

Ansprüche aus einem Sozialplan stehen lediglich den betroffenen Arbeitnehmern, die in seinen Geltungsbereich fallen, zu, nicht dagegen dem Betriebsrat. Begehrt ein (Gesamt-) Betriebsrat die Feststellung, dass der Arbeitgeber eine (Gesamt-) Betriebsvereinbarung in einer bestimmten Art und Weise anwenden solle, macht er damit einen eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Durchführungsanspruch nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG geltend, für den die Antragsbefugnis gegeben ist (BAG, Beschluss v. 25. 2.2020, 1 ABR 38/18).

3.1.6.3 Verhältnis zu Tarifverträgen

 

Rz. 35

Gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt oder üblicherweise geregelt sind, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein.

Da es sich bei einem Sozialplan der Sache nach um eine Betriebsvereinbarung handelt[1] und die Regelungen von Abfindungen und Ausgleichszahlungen Arbeitsbedingungen betreffen, wäre danach der Abschluss eines Sozialplans dort, wo ein Tarifvertrag Abfindungen oder Ausgleichszahlungen bei Rationalisierungsmaßnahmen vorsieht, nach den allgemeinen Regeln ausgeschlossen. Gemäß § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG ist der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG auf Sozialpläne jedoch nicht anwendbar. Dies hat zur Folge, dass Ausgleichsansprüche nach einem Tarifvertrag mit solchen nach einem Sozialplan konkurrieren können. In solchen Fällen gilt das Günstigkeitsprinzip entsprechend § 4 Abs. 3 TVG. Demzufolge sind auf der Grundlage eines Sachgruppenvergleichs beide die sich entsprechenden Regelungskomplexe in Tarifvertrag und Sozialplan zu vergleichen. Der jeweils für den Arbeitnehmer günstigere verdrängt den entsprechenden in dem anderen Regelungswerk (BAG, Urteil v. 6.12.2006, 4 AZR 798/05).[2]

 
Wichtig

Gilt für den Betrieb ein Tarifvertrag, der Regelungen für Betriebsänderungen vorsieht, ist bei Aufstellung des Sozialplans darauf zu achten, dass vornehmlich nur solche Leistungen zugesagt werden, die in Konkurrenz zu tariflichen Leistungen treten können, in Zweifelsfällen sollte das Verhältnis zu tariflichen Ansprüchen ausdrücklich geregelt werden (z. B. Anrechnung).

Da Gewerkschaften die Möglichkeit haben, ihrerseits den Betriebsrat in den Sozialplanverhandlungen durch die Forderung sogenannter Tarifsozialpläne zu unterstützen, sollte besonderes Augenmerk darauf gerichtet werden, dass nicht in Sozialplan und Tarifsozialplan Zusagen getroffen werden, die miteinander konkurrieren und folglich zu parallelen Ansprüchen führen.

[1] Siehe o. Rz. 33.
[2] Fitting, §§ 112, 112a BetrVG Rz. 183.

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