Rz. 966

Der Interessenausgleich ist schließlich um eine Namensliste zu ergänzen, in der die von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer namentlich bezeichnet sind. Voraussetzung ist auch insoweit ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss; eine Namensliste, die vom Vorsitzenden oder von einer Verhandlungsdelegation des Betriebsrats kurzerhand "freigegeben" wird, ist unwirksam.[1] Liegt jedoch ein Interessenausgleich mit Namensliste vor, so trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Betriebsratsvorsitzende die entsprechende Vereinbarung ohne legitimierenden Beschluss des Gremiums ausgehandelt und unterzeichnet hat (BAG, Urteil v. 21.2.2002, 2 AZR 581/00[2]). Die Namensliste kann dem Interessenausgleich auch nachträglich beigefügt werden, soweit es sich noch um eine "zeitnahe" Ergänzung handelt; dies ist bei einem Zeitraum von 6 Wochen nicht ausgeschlossen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls: Der notwendige zeitliche Zusammenhang kann sich auch aus den fortlaufenden Verhandlungen der Betriebspartner über die Namensliste ergeben (BAG, Urteil v. 26.3.2009, 2 AZR 296/07[3]).

 

Rz. 967

Die Namensliste ist Bestandteil des Interessenausgleichs und unterliegt damit ebenfalls dem Schriftformgebot (BAG, Urteil v. 19.7.2012, 2 AZR 386/11[4]). Beide Schriftstücke müssen eine einheitliche Urkunde bilden. Der Charakter als einheitliche Urkunde kann sich aus der fortlaufenden Paginierung oder aus dem Textzusammenhang ergeben; wichtig sind die abschließenden Unterschriften (BGH, Urteil v. 24.9.1997, XII ZR 234/95[5]). Eine einheitliche Urkunde kann vorliegen, wenn der von den Betriebsparteien unterschriebene Interessenausgleich auf die getrennt erstellte Namensliste Bezug nimmt. Dies setzt aber voraus, dass die von den Betriebsparteien unterzeichnete Namensliste ihrerseits eindeutig auf den Interessenausgleich (zurück)verweist; anderenfalls wird die Schriftform nicht gewahrt (BAG, Urteil v. 12.5.2010, 2 AZR 551/08[6]).

 
Hinweis

Wenn die Namensliste von den Betriebspartnern unterschrieben wird und auf sie im Interessenausgleich ausdrücklich Bezug genommen wird, kann sie als ein separates Dokument erstellt werden[7] (BAG, Urteil v. 21.2.2002, 2 AZR 581/00).

Wenn die Namensliste von den Betriebspartnern nicht unterschrieben wird, so müssen der Interessenausgleich und die Namensliste miteinander fest verbunden sein. Dabei genügt eine Heftklammer, nicht aber eine Büroklammer (BAG, Urteil v. 7.5.1998, 2 AZR 55/98[8]).

 

Rz. 968

Die Namensliste muss die zweifelsfreie Identifizierung der betroffenen Arbeitnehmer ermöglichen. Es empfiehlt sich daher, wenigstens Vor- und Zunamen aufzuführen und bei Namensidentität eine Ergänzung vorzunehmen (Geburtsdatum, Wohnort). Allerdings genügt eine Nennung des Nachnamens oder eines Spitznamens, wenn keine Verwechslungsgefahr besteht.[9] Die bloße Nennung einer Kostenstelle oder einer Personalnummer oder der pauschale Hinweis auf alle Arbeitnehmer einer Abteilung ist nicht ausreichend, da § 1 Abs. 5 KSchG ausdrücklich eine Identifizierung der betroffenen Arbeitnehmer mittels des Namens vorsieht.[10]

 

Rz. 969

Eine "Negativliste", in der lediglich diejenigen Arbeitnehmer namentlich aufgeführt werden, die keine Kündigung erhalten, stellt nach h. M. keine wirksame Namensliste dar.[11] Sofern sich aus der "Negativliste" jedoch unzweifelhaft ergibt, dass allen übrigen Arbeitnehmern gekündigt werden soll und es sich dabei um einen genau abgrenzbaren Personenkreis handelt, ist dieser Standpunkt allerdings nicht überzeugend.[12] Die Namensliste soll letztlich die Arbeitnehmer, auf deren betriebsbedingte Kündigung sich die Betriebspartner verständigt haben, mittels des Namens zuverlässig identifizieren; diesen Zweck erfüllt unter den oben genannten Voraussetzungen auch eine "Negativliste". Eine Namensliste, die unter einem Änderungsvorbehalt steht, kann nicht die Vermutungen des § 1 Abs. 5 KSchG für sich in Anspruch nehmen.[13]

 

Rz. 970

Die Vermutungswirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG treten nur ein, wenn die der Kündigung zugrunde liegende Betriebsänderung vollumfänglich Gegenstand einer Verständigung der Betriebsparteien i. S. d. §§ 111 Satz 1, 112 BetrVG war. Ist über eine Betriebsänderung, die auf einer einheitlichen Planung beruht, ein wirksamer Interessenausgleich zustande gekommen, dann setzt § 1 Abs. 5 KSchG jedoch nicht voraus, dass die Namen der zu kündigenden Arbeitnehmer in einer einheitlichen Namensliste zusammengefasst sind. Nimmt der Arbeitgeber eine schrittweise Betriebsänderung vor, sind "Teil-Namenslisten" zulässig. In diesen Fällen können die Betriebspartner entsprechend der geplanten "Entlassungswellen" zeitlich gestaffelte Namenslisten aufstellen (BAG, Urteil v. 22.1.2004, 2 AZR 111/02[14]).

Ein Arbeitnehmer, der in der 1. Liste genannt wird, ist nach Ansicht des BAG nicht davon betroffen, dass hinsichtlich weiterer "Entlassungswellen" noch keine abschließende Entscheidung über eine Namensliste erfolgt sei. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass hinsichtlich der ...

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