Rz. 704

Die in § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG enthaltene Beweislastregel, der zufolge der Arbeitgeber die Kündigungstatsachen zu beweisen hat, gilt auch für betriebsbedingte Kündigungen. Der Arbeitgeber trägt somit die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung bedingen. Das Gericht muss auf der Grundlage des arbeitgeberseitigen Vortrags prüfen können, ob im Zeitpunkt des Kündigungszugangs mit hinreichender Sicherheit feststand, das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer werde mit Ablauf der Kündigungsfrist entfallen. Zu prüfen ist somit, ob eine Unternehmerentscheidung vorliegt und ob durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis im behaupteten Umfang entfallen ist oder prognostisch entfallen wird.[1]

 

Rz. 705

Der Arbeitgeber muss daher vortragen, welche Gründe zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führen. Der Umfang der vorzutragenden Tatsachen ist letztlich abhängig von dem Charakter der Kündigungsgründe. Beruft der Arbeitgeber sich allein auf außerbetriebliche Kündigungsgründe und bindet sich im Hinblick auf die prozessuale Darlegungslast somit an die von ihm gesehenen Sachzwänge, kann das Gericht in vollem Umfang nachprüfen, ob die vom Arbeitgeber behaupteten Umstände zum Zeitpunkt der Kündigung vorlagen und zukünftig zu einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsbedarfs führen.[2] Der Arbeitgeber hat konkret darzulegen, welche außerbetrieblichen Umstände zum Wegfall des Arbeitsplatzes geführt haben. Er muss anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum nicht nur eine kurzfristige Abwärtsbewegung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist. Er muss den Rückgang des Beschäftigungsvolumens nachvollziehbar darstellen, bspw. durch eine Darstellung der Entwicklung und einen Vergleich des Auftrags- und Beschäftigungsvolumens in Referenzperioden.[3] Durch den Hinweis auf außerbetriebliche Umstände, auf welche er durch die unternehmerische Entscheidung zum Personalabbau nur reagiert, bindet sich der Arbeitgeber hinsichtlich des Beschäftigungsbedarfs und des Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten. Er beruft sich darauf, dass die Kündigung zwangsläufige Folge der außerbetrieblichen Ursachen ist. Die Unternehmerentscheidung liegt hier lediglich noch in der reagierenden Anpassungsentscheidung. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber darzulegen, dass die außerbetrieblichen Umstände tatsächlich im behaupteten Umfang vorliegen und dass diese Umstände sich unmittelbar zwingend auf der Grundlage der betrieblichen Gegebenheiten und vertraglichen Anbindungen der Arbeitnehmer auf die Beschäftigungsmöglichkeiten auswirken.

 

Rz. 706

Ein solcher Vortrag wird dem Arbeitgeber nur sehr selten gelingen. Regelmäßig werden die äußeren Umstände nur Anlass für eine innerbetriebliche unternehmerische Entscheidung sein. So erfordert eine Veränderung der Marktsituation insbesondere bei größeren Unternehmen mit verschiedenen Hierarchieebenen und unterschiedlich gestalteten Arbeitsplätzen eine Organisationsentscheidung, wie eine verringerte Arbeitsmenge mit welchen Arbeitskräften zukünftig erledigt werden soll. Grundlage der Kündigung ist dann nicht mehr die auf außerbetrieblichen Gründen beruhende Anpassungsentscheidung, sondern eine eigenständige, gestaltende Unternehmerentscheidung.

 

Beispiel

Ein Baubetrieb hat einen erheblichen Auftrags- und damit auch Umsatzrückgang zu verzeichnen. Der Arbeitgeber beschließt, Arbeitskräfte in großem Umfang auf sämtlichen Hierarchieebenen abzubauen. Kommt es zu Kündigungsschutzprozessen mit den betroffenen Arbeitnehmern, kann der Arbeitgeber nicht nur auf die Auftrags- und Umsatzzahlen und seine korrespondierende Anpassungsentscheidung verweisen. Er muss sein innerbetriebliches Personalkonzept konkret darlegen und nachvollziehbar vortragen, wie er die verbleibende Arbeitsmenge mit den restlichen Beschäftigten in Zukunft erledigen will.

 

Rz. 707

Sind die außerbetrieblichen Umstände nur Anlass einer eigenständigen, gestaltenden Unternehmerentscheidung oder beruft sich der Arbeitgeber von vornherein nur auf innerbetriebliche Umstände, hat er den Inhalt des unternehmerischen Konzepts plausibel darzulegen. Der Arbeitgeber hat vorzutragen,

  • dass und wann er eine unternehmerische Entscheidung getroffen hat,
  • dass er diese Entscheidung umgesetzt hat oder umsetzt,
  • dass die Umsetzung zu einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führt.
 

Rz. 708

Je näher die Organisationsentscheidung an den eigentlichen Kündigungsentschluss heranrückt, umso höher sind die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers. Er muss im Prozess die organisatorische Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit seiner unternehmerischen Entscheidung ausreichend verdeutlichen. Hierzu muss er konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Es muss konkret erläutert werden, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leist...

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