Rz. 79

Voraussetzung der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist es mithin, dass der Arbeitgeber innerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses eine allgemein gültige (= kollektive) Regelung trifft.

6.2.1 Maßnahmen mit kollektivem Bezug

 

Rz. 80

Dem Gleichbehandlungsgrundsatz unterfallen alle Maßnahmen und Entscheidungen des Arbeitgebers, die einen kollektiven Bezug haben, die sich also nicht allein in der einzelfall- und einzelpersonbezogenen Regelung erschöpfen. Erfasst werden vertragliche Vereinbarungen, insbesondere arbeitsvertragliche Einheitsregelungen und Gesamtzusagen, aber auch die Ausübung des Direktionsrechts.[1]

 

Rz. 81

Ob die Maßnahme kollektiven Bezug hat, kann nicht allein durch die Verhältniszahlen der jeweils begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmer ermittelt werden,[2] sondern entscheidet sich danach, ob der Arbeitgeber nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung handelt und dazu bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt.[3] Eine wesentliche Erweiterung stellt die neuere Rspr. dar, wonach der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz grundsätzlich auch dann anwendbar ist, wenn der Arbeitgeber – nicht auf besondere Einzelfälle beschränkt – nach Gutdünken oder nach nicht sachgerechten oder nicht bestimmbaren Kriterien leistet.[4]

Auch dann schafft er freilich keinen kollektiven Bezug. Es ist dann auch fraglich, welche Rechtsfolge eintreten soll, denn eine Leistung, die nach Gutdünken dem einen Arbeitnehmer mit 100 Euro, dem anderen mit 200 Euro gewährt wird, lässt offen, mit wem Gleichbehandlung erfolgen soll.

Einer Maßnahme fehlt der kollektive Bezug, wenn sie individuell mit dem Arbeitnehmer ausgehandelt wurde.

[1] LAG Köln, Urteil v. 22.6.1994, 2 Sa 1087/93, LAGE § 611 BGB – Direktionsrecht Nr. 19.
[2] In diese Richtung aber BAG, Urteil v. 19.8.1992, 5 AZR 513/91, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 102; Preis in ErfK, § 611a BGB, Rz. 575.
[3] BAG, Urteil v. 21.3.2002, 6 AZR 144/01, EzA § 242 BGB – Gleichbehandlung Nr. 88.

6.2.2 Bestehendes Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer

 

Rz. 82

Das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, innerhalb dessen der Gleichbehandlungsgrundsatz Anwendung findet, ist regelmäßig das Arbeitsverhältnis. Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Ruhestandsverhältnis, etwa bei der Betrieblichen Altersversorgung.[1] Keine Gleichbehandlungspflicht besteht bei Einstellungen, da diese erst das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer begründen.[2] Ein hinreichendes Rechtsverhältnis bilden auch die nachwirkenden Pflichten und Bindungen eines gekündigten oder aus anderem Grund beendeten Arbeitsverhältnisses. Auch Wiedereinstellungsansprüche können daher an den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden sein.[3]

[1] Vogelsang in Schaub, ArbRHdb, § 274, Rz. 13; Preis in ErfK, § 611a BGB, Rz. 578.
[3] A. A. wohl Preis in ErfK, § 611a BGB, Rz. 578.

6.2.3 Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung

 

Rz. 83

Inwieweit TV und BV an den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden sind, ist bislang nicht befriedigend geklärt, in der Praxis jedoch ohne Bedeutung. TV-Normen sind an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden, auch wenn die neuere Rspr. bei den Freiheitsrechten nur von einer mittelbaren Bindung der TV ausgeht.[1] Es gelten daher grundsätzlich die gleichen Maßstäbe.

 

Rz. 84

Für Betriebsvereinbarungen gilt § 75 Abs. 1 BetrVG. Zum dort normierten Gebot an Arbeitgeber und Betriebsrat, die Belegschaft nach Recht und Billigkeit zu behandeln, gehört die Pflicht zur Gleichbehandlung, wo sachliche Gründe fehlen, die eine Differenzierung rechtfertigen.[2]

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge