rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Unzulässigkeit eines Multiplex-Kinos in einem faktischen Sondergebiet „Einkaufszentrum”. Multiplex-Kino. Kinokomplex. nähere Umgebung. Bahndamm. trennende Wirkung. faktisches Sondergebiet. Einkaufszentrum. großflächiger Einzelhandelsbetrieb. Zweckbestimmung. Art der Nutzung. planerische Entscheidung. künftige Entwicklung. Tankstelle. Autohaus. faktisches Kerngebiet. Vergnügungsstätte. kerngebietstypische Vergnügungsstätte. Anlage für kulturelle Zwecke. kommerzielle Unterhaltung. Lärmbelästigung. Zu- und Abgangsverkehr. wohngebietsverträglich. Fehlentwicklung. Einfügen. Rahmen. Vorbildwirkung. bewältigungsbedürftige Spannungen. Baurechts. Berufung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in § 34 Abs. 2 BauGB enthaltene Verweisung auf die in der BauNVO bezeichneten Baugebiete erstreckt sich auch auf die in § 11 Abs. 2 Satz 2 aufgeführten sonstigen Sondergebiete.

2. Bei einem Multiplex-Kino mit 8 Kinosälen und 2.150 Plätzen handelt es sich um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte, die in einem (faktischen) Sondergebiet „Einkaufszentrum” nach der Art der Nutzung nicht zulässig ist.

 

Normenkette

BauGB § 34 Abs. 1-2; BauNVO §§ 4a, 7, 10 Abs. 2 S. 1, § 11 Abs. 2 Sätze 1-2, Abs. 3

 

Verfahrensgang

VG Gera (Urteil vom 08.10.1998; Aktenzeichen 4 K 212/98)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 8. Oktober 1998 – 4 K 212/98 GE – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für ein sog. Multiplex-Kino.

Die Klägerin beantragte am 18.7.1996 bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Kinokomplexes in der Schillerpassage in Jena, die von der Beklagten am 20.10.1994 als Geschäftszentrum (SB-Warenhaus) mit Parkhaus genehmigt worden war. Die neben der Schillerpassage befindliche Tankstelle soll dabei überbaut und mit der Passage verbunden werden. Das geplante Multiplex-Kino in den Obergeschossen soll über 2.150 Plätze (verteilt auf 8 Kinosäle) und eine Cafeteria verfügen. Die neu entstehende gewerbliche Nutzfläche beträgt ca. 5.252 m².

Mit Bescheid vom 28.4.1997 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies das Thüringer Landesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 16.4.1998 zurück. Zur Begründung heißt es, der beantragte Kinokomplex füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die für diese Beurteilung maßgebliche nähere Umgebung beschränke sich hier auf die Schillerpassage, die Tankstelle und das Autohaus. Die Saale und der Bahndamm entfalteten eine trennende Wirkung. Die Schillerpassage sei als Einkaufszentrum bzw. großflächiger Einzelhandel einzustufen; sie sei das dominante Bauwerk, der die Tankstelle faktisch zugeordnet sei. Das Autohaus profitiere von der Kombination, ohne den prägenden Charakter des Einkaufszentrums zu relativieren. Die Umgebung lasse sich somit ohne weiteres als Sondergebiet mit der Sonderfunktion Einkaufszentrum bzw. großflächiger Einzelhandel im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO einordnen. Das Vorhaben der Klägerin entspreche den Nutzungsarten dieses Gebiets nicht.

Bereits zuvor – am 18.2.1998 – hatte die Klägerin Untätigkeitsklage eingereicht. Zur Begründung ihrer nach Erlass des Widerspruchsbescheides fortgeführten Klage hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteile sich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Zur näheren Umgebung seien nicht nur das Gebäude der Schillerpassage einschließlich Tankstelle und Autohaus zu rechnen; vielmehr müsse auch die Bebauung jenseits des Bahndammes mit in die Betrachtung einbezogen werden. Hierbei handele es sich um einen uneinheitlich strukturierten Bereich, der aus planungsrechtlicher Sicht als „Gemengelage” zu werten sei. Das geplante Multiplex-Kino sei nicht als Vergnügungsstätte, sondern als kulturelle Einrichtung im Sinne des Bauplanungsrechts einzuordnen. Das Vorhaben füge sich in den Rahmen der vorhandenen Bebauung ein, ohne städtebauliche Spannungen zu verursachen oder zu verstärken. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass als Folgewirkung des Bauvorhabens die vorhandene städtebauliche Situation „zum Umkippen” gebracht werde.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28.4.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 16.04.1998 zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Verfahren eine Aufstellung der in der Schillerpassage vorhandenen Nutzungen zur Akte gereicht.

Das Verwaltungsge...

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