Leitsatz (amtlich)

Die Verjährung eines "Stammrechts" auf fortlaufende Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung kann jedenfalls seit der Reform des Versicherungsvertragsrechts 2008 nicht mehr angenommen werden.

Die einzelnen Ansprüche des Versicherungsnehmers auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung verjähren nach § 195 BGB jeweils in drei Jahren.

 

Normenkette

BGB §§ 194-195

 

Verfahrensgang

LG Gera (Aktenzeichen 3 O 903/16)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 03.04.2019; Aktenzeichen IV ZR 90/18)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 24.05.2017, Az. 3 O 903/16 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Gera vom 18.11.2016, Az. 3 O 903/16, wird insoweit aufrechterhalten, als festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin beginnend ab 01.01.2013 und solange diese bedingungsgemäß berufsunfähig ist, längstens jedoch bis zum 31.03.2035, von der Beitragspflicht für die fondsgebunde Lebensversicherung (G.) zur Versicherungsscheinnummer L. zu befreien.

Im Übrigen wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die durch die Säumnis der Beklagten veranlassen Kosten hat diese allein zu tragen. Im Übrigen haben die Kosten des Rechtsstreits die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3 zu tragen.

3. Das Urteil ist und das Versäumnisurteil im Umfang seiner Aufrechterhaltung bleibt vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung aus den Urteilen jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert wird durch Beschluss auf 8.382,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte sie aufgrund einer bedingungsgemäßen Berufungsunfähigkeit von der Beitragspflicht für eine fondsgebundene Rentenversicherung freizustellen habe.

Die Klägerin war ab 2007 oder 2008 (die Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig) bei der Beklagten gegen Berufsunfähigkeit versichert. Für den Fall der Berufsunfähigkeit war eine Befreiung von der Beitragszahlungspflicht vereinbart. Am 01.02.2009 erlitt die Klägerin einen Skiunfall, aufgrund dessen sie bedingungsgemäß berufsunfähig wurde. Sie stellte im Mai 2010 einen Leistungsantrag. Die Beklagte erklärte am 11.10.2010 eine Leistungsablehnung. Im September 2014 stellte die Klägerin aufgrund anderer Erkrankungen (Cervikobrachialsyndrom, Asthma u.a.) einen neuen Leistungsantrag, den die Beklagte mit Schreiben vom 02.03.2015 ablehnte. Die Klägerin hat behauptet, am 15.12.2008 kein Mahn- und Kündigungsschreiben erhalten zu haben.

Die Klägerin hat ursprünglich beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin beginnend ab März 2009, hilfsweise ab Januar 2012, solange diese bedingungsgemäß berufsunfähig ist, längstens jedoch bis zum 31.05.2035 von der Beitragspflicht für die fondsgebundene Rentenversicherung (G.) zur Versicherungsschein-Nr. L. zu befreien;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die RECHTSSCHUTZ ... GmbH, ..., zu Schadennummer ... vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 887,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Antragsgemäß ist im schriftlichen Vorverfahren gegen die Beklagte am 18.11.2016 ein Versäumnisurteil ergangen. Gegen dieses ihr am 24.11.2016 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte Einspruch eingelegt, der am 06.12.2016 bei Gericht eingegangen ist.

Die Klägerin hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 18.11.2016 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 18.11.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, das "Stammrecht" aus der Versicherung sei verjährt. Dieses erfasse alle zukünftigen Ansprüche aus dem Skiunfall vom Februar 2009. Ihr Mahn- und Kündigungsschreiben vom 15.12.2008 sei der Klägerin zugegangen.

Mit Urteil vom 24.05.2017 hat das Landgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Verjährung habe am 31.12.2010 begonnen und sei damit lange vor Klageerhebung im Jahr 2016 abgelaufen. Der Anspruch sei mit Eintritt der Berufsunfähigkeit entstanden. Es sei der Beklagten nicht verwehrt, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen.

Soweit die Berufsunfähigkeit auf einen neuen Versicherungsfall (Asthma, Schulterbeschwerden) gestützt werde, fehle es an einem substantiierten Sachvortrag. Die Klägerin habe auf den gerichtlichen Hinweis vom 02.05.2017 nicht weiter vorgetragen.

Gegen dieses ihr am 30.05.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.06.2017 Berufung eingelegt und am 28.07.2017 begründet. Die Klägerin meint, eine Stammrechtsverjährung gebe es nicht. Auch sei es t...

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