Verfahrensgang

LG Gera (Aktenzeichen 4 O 1386/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts G... vom 20.01.2017, Az. 4 O 1386/15, einschließlich des ihm zu Grunde liegenden Verfahrens aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht G... zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerinnen nehmen den Beklagten auf Schadensersatz im Zusammenhang mit der Vermittlung eines nach ihrer Darstellung betrügerischen Kapitalanlagemodells in Anspruch. -

Zur Prozessgeschichte erster Instanz:

Die Klägerin hat mit der Klageschrift als Zustellanschrift H... mitgeteilt. Auf der zwecks Zustellung der Klageschrift ausgestellten Zustellungsurkunde ist diese Anschrift handschriftlich aufgetragen, nachfolgend gestrichen und als neue Anschrift "L..." mit dem Vermerk "berichtigt 23.01.2016" eingetragen worden. Diese Zustellungsurkunde ist mit der angekreuzten Rubrik "Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln", dem Datum 25.01.2016 und der Unterschrift des Postangestellten zurück zur Akte gelangt. Ein nochmaliger Zustellversuch unter der Anschrift L... ist ebenso mit Kreuz unter "Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln", dem Datum 04.02.2016 und Unterschrift des Postangestellten zurück zur Akte gelangt.

Schließlich wurde unter der Anschrift L... ein drittes Mal die Zustellung versucht. Die Zustellungsurkunde ist unter Mitteilung der Anschrift "X...", einem Kreuz in der Rubrik "Weitersendung nicht möglich", dem Datum 09.03.2016 und der Unterschrift des Postangestellten zurück zur Akte gelangt. Auf Anforderung des Gerichts haben die Klägerinnen als Anschrift für den Beklagten "H..." mitgeteilt. Während eine zur Akte zurückgelangte Zustellungsurkunde für die Zustellung der Klageschrift und der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens unter dieser Anschrift eine Zustellung durch Einwurf in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten bescheinigt und am 16.03.2016 vom Postangestellten unterzeichnet worden ist, ist in einer weiteren Zustellungsurkunde mit der gleichen Anschrift das Kreuz in der Rubrik "Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln", mit dem Datum 22.03.2016 und der Unterschrift des Postangestellten versehen zur Akte zurückgelangt. Ergänzend wird auf die in der Akte abgelegten Zustellungsurkunden verwiesen. Nachfolgend ist die Klägerseite wegen der Anschriftenmitteilung für den Beklagten durch das Gericht angeschrieben worden. Die Klägerinnen haben mit Schriftsätzen vom 05.04.2016 und 20.04.2016 wegen der Anschriften des Beklagten weiter vorgetragen. Es wird zum Inhalt auf diese Schriftsätze Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 25.04.2016 hat das Landgericht die öffentliche Zustellung der "Verfügung zum schriftlichen Vorverfahren vom 30.12.2015" angeordnet. Die Benachrichtigung, wobei in dieser der Hinweis auf die öffentliche Zustellung der Klageschrift vom 30.12.2015 und der Verfügung vom 18.01.2016 enthalten ist, ist am 25.04.2016 an die Gerichtstafel angeheftet worden.

Nachfolgend ist der Beklagte mit Versäumnisurteil vom 23.06.2016 zur Zahlung von 400.000,00 EUR an die Klägerin zu 1 und von 200.000,00 EUR an die Klägerin zu 2 verurteilt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Versäumnisurteil Bezug genommen. Zu dem Versäumnisurteil ist durch die Geschäftsstelle des Landgerichts am 23.06.2016 eine Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung ausgehangen worden. -

Gegen dieses Versäumnisurteil hat der Beklagte mit einem am 24.08.2016 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt und vorsorglich auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. -

Nach Auffassung des Beklagten sei die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils unwirksam gewesen. Zum einen hätten die Voraussetzungen des § 185 ZPO nicht vorgelegen. Seine Anschrift hätte ohne weiteres durch eine Einwohnermeldeamtsanfrage beim Einwohnermeldeamt in H... in Erfahrung gebracht werden können. Er habe sich beim Einwohnermeldeamt in H... ordnungsgemäß nach X... abgemeldet. Selbst bei einer Einwohnermeldeamtsanfrage in I... wäre die Adresse ermittelbar gewesen. Im Weiteren sei als weiterer Zustellungsmangel die fehlende Bewilligung der öffentlichen Zustellung zu berücksichtigen. Jedenfalls sei aber die Einspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden, weil eine Bestimmung der Einspruchsfrist gemäß § 339 Abs. 2 ZPO weder durch das Versäumnisurteil noch durch gesonderten Beschluss erfolgt worden sei.

Der Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen haben die öffentliche Zustellung für gerechtfertigt gehalten. Sie haben darauf verwiesen, alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen zu haben, um eine ordentliche Zustellung zu bewirken. Der Beklagte habe durch ständige Anschriftenwechsel versucht, eine ordentliche Zustellung zu vereiteln. Auch in X... gebe es zwei Anschriften des Beklagten m...

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