Leitsatz (amtlich)

1. Stützt der Versichere eine Anfechtung seiner Vertragserklärung wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB darauf, der Versicherungsnehmer habe bei Antragstellung einzelne Gesundheitsfragen objektiv unrichtig beantwortet, so trifft den Versicherungsnehmer die sekundäre Darlegungslast, zu erläutern, wie und es weshalb es hierzu gekommen ist.

2. Diese sekundäre Darlegungslast führt nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Sind die Angaben des Versicherten in sich stimmig, muss der Versicherer beweisen, dass der Versicherte eine Täuschung des Versicherers zumindest billigend in Kauf genommen hat.

 

Normenkette

BGB § 123

 

Verfahrensgang

LG Gera (Aktenzeichen 3 O 517/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 30.01.2017, Az. 3 O 517/16, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien unter der Versicherungsnummer 04 279 974 geschlossene Versicherungsvertrag (Risikolebensversicherung mit verbundener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung) unverändert fortbesteht und durch die beklagtenseits erklärte Vertragsanfechtung vom 04.11.2015 nicht als nichtig anzusehen ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für die Klägerin insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert wird auf 47.801,88 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Anfechtung eines Versicherungsverhältnisses (Risiko-Lebensversicherung, verbunden mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung). Am 10.12.2007 beantragte die Klägerin eine solche Versicherung bei der Beklagten. Die Gesundheitsfragen 10.01 a) [nach ambulanten Untersuchungen oder Behandlungen innerhalb der letzten fünf Jahre] und 10.01 b) [insbesondere nach stationären Behandlungen in den letzten zehn Jahren] wurden von der Klägerin durch Ankreuzen jeweils mit "nein" beantwortet. Tatsächlich war sie vor Antragstellung in umfassender und andauernder ärztlicher Behandlung.

Am 12.06.2015 beantragte die Klägerin Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Mit Schreiben vom 04.11.2015 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung.

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags und die Anträge wird Bezug genommen auf den Tatbestand der landgerichtlichen Entscheidung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe den Versicherungsvertrag wirksam angefochten, §§ 142, 123 Abs. 1 BGB. Unstreitig sei, dass die Klägerin die Gesundheitsfragen unrichtig beantwortet habe. Die Klägerin habe auch arglistig gehandelt. Die Beweislast für die arglistige Täuschung liege beim Versicherer. Bei objektiv unrichtigen Angaben sei es aber zunächst Sache des Versicherungsnehmers, "substantiiert plausibel zu machen, warum und wie es zu diesen objektiv falschen Angaben gekommen ist". Die Klägerin habe nicht ansatzweise, geschweige denn substantiiert plausibel gemacht, warum sie die entscheidenden Gesundheitsfragen zu Ziffer 01 a) und 01 b) mit "nein" beantwortet habe, obwohl nach ihrer eigenen Einschätzung ambulante und stationäre Behandlungsmaßnahmen erheblichen Umfangs anzugeben gewesen seien. Die Klägerin sei erkennbar intelligent und gebildet und ohne weiteres dazu in der Lage, komplexe und differenzierte Fragen klar und differenziert zu beantworten. Auffällig sei weiter, dass sie "Kleinigkeiten" sehr detailreich beantwortet habe.

Gegen dieses ihr am 03.02.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.02.2017 Berufung eingelegt und diese mit am 30.03.2017 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Erforderliche Indizien, die den Schluss auf Arglist zuließen, seien nicht gegeben. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass im Leistungsfall sofort eine Prüfung der Gesundheitsfragen erfolge. Ebenso habe sie gewusst, dass eine solche Täuschung erkennbar aussichtslos sei und erfolglos bleiben müsse. Anfechtungsfristen seien ihr nicht bekannt gewesen. Das "Prinzip Hoffnung" sei weder Motiv noch Motivation für die Klägerin gewesen.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Abänderung des am 30.01.2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Gera, Az.: 3 O 517/16, festzustellen, dass der zwischen den Parteien unter der Versicherungsnummer 04 279 974 geschlossene Versicherungsvertrag (Risiko- Lebensversicherung mit verbundener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung) unverändert fortbesteht und durch die beklagtenseits erklärte Vertragsanfechtung vom 04.11.2015 nicht als nichtig anzusehen ist;

2. die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Gera vom 30.01.2017, Az.: 3 O 517/16 zu verurteilen, an die Klägerin die nach der Vorbem...

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