Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Haftung für Schäden an fremden Fahrzeugen bei fehlender Rechtspflicht, Vorkehrungen gegen herabstürzende Dachlawinen zu treffen

 

Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht kann ein Hauseigentümer nur dann aus einem Unterlassen in Anspruch genommen werden, wenn er eine Rechtspflicht hatte, Vorkehrungen zu treffen, um einen durch Schneesturz (hier Dachlawine) entstehenden Schaden abzuwenden. Grundsätzlich sind nämlich Passanten oder - wie hier - Fahrzeugeigentümer im gebotenen eigenen Interesse selbst verpflichtet, sich bzw. ihr Fahrzeug vor der Gefahr der Verletzung oder Beschädigung durch herab fallenden Schnee zu schützen.

Daher muss ein Hauseigentümer nur bei besonderen Umständen Schutzmaßnahmen gegen die durch herab fallenden Schnee (von seinem Hausdach) verursachte Gefahr treffen. Fehlt es an solchen Umständen, haftet er nicht für Schäden, die durch eine herabstürzende Dachlawine an fremden Fahrzeugen, die vor oder auf seinem Grundstück parken, entstehen.

 

Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

LG Mühlhausen (Urteil vom 17.11.2011; Aktenzeichen 1 O 232/11)

 

Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Mühlhausen vom 17.11.2011 - Az.: 1 O 232/11 - durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20.4.2012.

 

Gründe

Der Kläger nimmt den Beklagten wegen eines Fahrzeugschadens durch eine sog. "Dachlawine" auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger besuchte am Schadenstag (2.1.2011) seinen Onkel, der in dem Mietshaus B. straße 7 in T. wohnt. Eigentümer des Hauses ist der Beklagte. Seinen Pkw parkte der Kläger auf dem Grundstück, unmittelbar vor dem Haus. Er behauptet, die dort befindlichen Stellplätze würden regelmäßig - was der Beklagte dulde - nicht nur von den Mietern, sondern auch von deren Besuchern genutzt. Vom Dach des Hauses - so der weitere streitige Klägervortrag - sei eine Schneelawine abgegangen und habe sein Fahrzeug getroffen. Ein ähnlicher Vorfall habe sich bereits vor "wenigen Jahren" ereignet. Deshalb habe der Beklagte mit weiteren Dachlawinen rechnen müssen; habe also gefahrverhütende Maßnahmen ergreifen, zumindest vor der ihm bekannten Dachlawinengefahr warnen müssen.

Das LG hat die auf Ersatz der Reparatur- und Sachverständigenkosten etc. in Gesamthöhe von 5.440,44 EUR gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte habe keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Zum Ergreifen von Sicherheitsvorkehrungen (etwa dem Anbringen von Schneefanggittern) sei er ebenso wenig verpflichtet gewesen wie zum Aufstellen von Warnschildern. Dass Schneefanggitter auf den Dächern in der Gemeinde Teistungen ortsüblich oder allgemein vorgeschrieben seien, stünde nicht fest. Auch eine besondere Steilheit gerade des Hausdaches des Beklagten (Dachschräge von mehr als 45 %) habe der Kläger nicht vorgetragen. Schließlich fehle es auch an substantiiertem Klägervortrag zu einem konkreten Anlass (Grund) für das Aufstellen von Warnschildern. Der vage Vortrag, dass sich vor Jahren schon einmal ein Schadensfall ereignet habe, reiche hierfür nicht.

Mit seiner Berufung rügt der Kläger die Auffassung des LG von der nicht vorgelegenen (und deshalb auch nicht verletzten) Verkehrssicherungspflicht als rechtsfehlerhaft. Der Beklagte habe unstreitig Kenntnis davon gehabt, dass "vor nicht lange zurückliegender Zeit" schon einmal eine Dachlawine von seinem Haus abgegangen sei. Dennoch habe er zur Vermeidung künftiger Schäden nichts unternommen; weder Schneefanggitter angebracht, noch zumindest ein Warnschild aufgestellt.

Der Senat ist im Ergebnis seiner Vorberatung der einstimmigen Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 ZPO in der neuen Fassung vom 21.10.2011 (BGBl. I, 2082) für eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss vorliegen. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (Nr. 1). Der Rechtssache kommt keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zu (Nr. 2) und weder die Fortbildung des Rechts, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren (Nr. 3). Schließlich ist eine mündliche Verhandlung vor dem Senat auch nicht aus anderen Gründen geboten (Nr. 4).

Das angegriffene Urteil hält einer Nachprüfung im zweiten Rechtszug stand. Der Beklagte haftet dem Kläger nicht aus § 823 BGB auf Schadensersatz.

Aus § 823 Abs. 2 BGB lässt sich der geltend gemachte Anspruch nicht herleiten.

Das LG ist davon ausgegangen, dass die Ortssatzung von T. den Hauseigentümern keine Vorkehrungen zum Schutz gegen Dachlawinen auferlegt. Diese mit der Berufung nicht angegriffene Feststellung ist für den Senat bindend, so dass insofern kein Schutzgesetz zur Verfügung steht.

Als solches (Schutzgesetz) scheidet auch § 31 Abs. 8 der Thüringer Bauordnung aus, da diese Norm lediglich vorsieht, dass Dächer an Ver...

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