Leitsatz (amtlich)

1. Beabsichtigt die erstattungsberechtigte Partei die prozessbegleitende Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens, obliegt ihr nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, den voraussichtlichen Kostenrahmen (Stundensätze, Zeitaufwand) hierfür ggü. dem Gegner vorab offenzulegen, um diesem im Bewusstsein des Kostenrisikos die Disposition hinsichtlich der weiteren Prozessführung zu ermöglichen.

2. Liegt bereits die Honorarabrechnung eines Gerichtssachverständigen vor, braucht die erstattungspflichtige Partei - in Ermangelung näherer Anhaltspunkte - mit zusätzlichen Kosten eines prozessbegleitenden Privatgutachtens in einer den Aufwand des gerichtlichen Gutachtens deutlich übersteigenden Größenordnung nicht zu rechnen. Die Geltendmachung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs unterliegt den durch die Inanspruchnahme dieses Vertrauens gezogenen Grenzen.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Beschluss vom 03.11.2005; Aktenzeichen 9 O 3017/99)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 25.01.2007; Aktenzeichen VII ZB 74/06)

 

Tenor

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Erfurt vom 3.11.2005 (Az. 9 O 3017/99) wird abgeändert.

Die vom Kläger aufgrund des Urteils des LG Erfurt vom 22.8.2000 und des Urteils des OLG Jena vom 13.4.2005 an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden auf 31.314,37 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.8.2005 festgesetzt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger zu 28 % und die Beklagte zu 72 %.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 47.062,50 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist statthaft, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, und auch sonst zulässig, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO. In der Sache hat sie überwiegend Erfolg. Die für ein prozessbegleitend eingeholtes privates Sachverständigengutachten geltend gemachten Aufwendungen der Beklagten sind nur i.H.v. 13.000 EUR zu erstatten.

I. Im Berufungsrechtszug vor dem OLG Jena hat der damals zuständige 7. Zivilsenat zur Klärung streitiger Sachfragen (Ursachen einer Bauablaufsverzögerung) ein Sachverständigengutachten (Prof. Dr. P.) eingeholt. Mit Beschluss vom 26.1.2004 hat er den Stundensatz des Sachverständigen auf 61,35 EUR festgesetzt und vom Kläger einen Kostenvorschuss i.H.v. insgesamt 9.000 EUR erhoben. Am 25.5.2004 hat der Sachverständige P. das Gutachten vorgelegt und hierfür eine Vergütung i.H.v. 8.660,56 EUR in Rechnung gestellt.

Nach Erhalt des Gutachtens hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 27.7.2004 angezeigt, zu ihrer Unterstützung einen eigenen Sachverständigen zuziehen und "äußerst umfangreich" Stellung zu den Feststellungen des Gerichtssachverständigen nehmen zu wollen. Ergänzend hat sie am 24.8.2004 darauf hingewiesen, dass insoweit "mindestens der gleiche Aufwand notwendig" sein werde wie seitens des Gerichtssachverständigen. Mit Schriftsatz vom 14.10.2004 hat die Beklagte schließlich Ausgangspunkt, Schlussfolgerungen und Resultate des gerichtlich eingeholten Gutachtens sowohl im Ganzen als auch im Detail angegriffen, wobei sie sich auf die Ausführungen des von ihr bestellten Sachverständigen Z. stützte.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Aufwendungen der Beklagten für das vorgenannte Privatgutachten Z. dem Grund nach zu erstatten sind, da es sich um notwendige Kosten "des Rechtsstreits" i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO handelte. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist allein die Höhe der geltend gemachten Vergütung von 47.062,50 EUR netto. Der erstattungspflichtige Kläger moniert insoweit sowohl den angeblichen Zeitaufwand von 474 Stunden als auch die hierfür veranschlagten Stundensätze von 145 EUR für den Sachverständigen Z. persönlich bzw. i.H.v. 65 EUR für Hilfskräfte im Rahmen von Schreibarbeiten, Dateneingabe am PC u.a.m. Der Kläger verweist auf die erhebliche Diskrepanz zu dem vom gerichtlich bestellten Sachverständigen benötigten Zeitaufwand (120 Stunden) und dessen nach ZSEG berechneten Stundensätze. Es gehe nicht an, dass die Vergütung des Gerichtssachverständigen um mehr als das Fünffache überschritten werde.

Dagegen hält die Beklagte das an den Sachverständigen Z. gezahlte Honorar im Verhältnis zum Streitwert der Klage (rund 980.000 EUR) für angemessen. Weder die Auswahl eines geeigneten Sachverständigen noch die Vereinbarung eines Stundensatzes unterlägen der Beschränkung hinsichtlich eines durch das ZSEG vorgegebenen Kostenrahmens, da kein kompetenter Gutachter bereit sei, zu den Konditionen des ZSEG privat tätig zu werden.

Das Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen P. sei unbrauchbar gewesen. Allerdings sei die Schuld hierfür nicht beim Gutachter, sondern beim Prozessgericht zu suchen, weil es maßgebliches Vorbringen der Beklagten ignoriert und versäumt habe, dem Sachverständigen einen hinreichend aufbereiteten Untersuchungssachve...

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