Leitsatz (amtlich)

Bei der Gesamtsaldierung von regeldynamischen und angleichungsdynamischen Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung ist die Heranziehung des korrespondierenden Kapitalwertes ungeeignet, weil er der unterschiedlichen Dynamik der Anrechte und damit der nicht unerheblichen Werteveränderung nicht hinreichend gerecht wird. Eine sachgerechtere Vergleichbarkeit kann durch die Heranziehung des sog. Angleichungsfaktors i.S.v. § 3 Abs. 2 S. 3 VAÜG als Hilfsgröße erreicht werden.

 

Normenkette

VersAusglG § 31

 

Verfahrensgang

AG Erfurt (Beschluss vom 15.02.2012; Aktenzeichen 36 F 1592/11)

 

Tenor

I. Der Beschluss des AG - Familiengericht - Erfurt vom 15.2.2012 wird abgeändert:

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des am 23.9.2000 verstorbenen vormaligen Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland (VSNR.:) zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht i.H.v. 1,2486 Entgeltpunkten (Ost) auf das vorhandene Konto bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen (VSNR.:) bezogen auf den 31.8.1993 übertragen.

II. Von der Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die am 22.12.1960 geschlossene Ehe der vormals beteiligten Eheleute wurde aufgrund eines am 1.9.1993 zugestellten Antrages durch Urteil des AG vom 22.11.1993 geschieden. Die Folgesache Versorgungsausgleich wurde vom Verbund abgetrennt und das Verfahren mit Beschluss vom 6.6.1997 nach § 2 VAÜG ausgesetzt.

Der Antragsgegner ist am 23.9.2000 verstorben.

Mit Verfügung vom 10.11.2011 hat das AG das ausgesetzte Versorgungsausgleichsverfahren wieder aufgenommen und unter Berücksichtigung der getroffenen Feststellungen hinsichtlich der jeweils erworbenen Anwartschaften der Eheleute mit Beschluss vom 15.2.2012, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, den Versorgungsausgleich näher geregelt.

Hiergegen wendet sich die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland mit ihrer Beschwerde. Sie erstrebt die Aufhebung des Beschlusses und die Durchführung des Wertausgleichs nach Maßgabe von § 31 VersAusglG.

Diesem Begehren sind die weiteren Beteiligten nicht entgegengetreten.

Der Senat hat aufgrund der Entscheidung des BGH vom 18.1.2012 - XII ZB 696/10 (FamRZ 2012, 509) von den Versorgungsträgern der gesetzlichen Rentenversicherung neue Auskünfte eingeholt.

Danach ergibt sich für die Antragstellerin nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Hessen vom 8.5.2012 eine Anwartschaft von

26,5435 Entgeltpunkten, was einem Ausgleichswert von 13,2718 Entgeltpunkten mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 58.975,24 EUR entspricht.

Demgegenüber hat der verstorbene Antragsgegner nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland vom 10.4.2012

34,9280 Entgeltpunkte (Ost), was einem Ausgleichswert von 17,4640 Entgeltpunkten (Ost) mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 56.484,40 EUR entspricht, erworben.

II. Die Senatsentscheidung richtet sich in diesem vom Familiengericht durch die Verfügung vom 10.11.2011 nach § 50 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG wieder aufgenommenen Verfahren gem. Art. 111 Abs. 4 S. 1 FGG-RG, § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG nach dem seit dem 1.9.2009 geltenden materiellen und Verfahrensrecht (vgl. auch BGH FamRZ 2011, 635).

Die Beschwerde ist danach gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt worden (§ 63 Abs. 1 FamFG).

Sie führt nach Maßgabe der Entscheidungsformel zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Die angefochtene Entscheidung wird der Regelung des § 31 VersAusglG nicht gerecht.

Stirbt ein Ehegatte nach Rechtskraft der Scheidung, aber noch vor der Entscheidung über den - abgetrennten - Versorgungsausgleich, so findet ein solcher nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG nicht mehr statt. An seine Stelle tritt der Wertausgleich gem. § 31 VersAusglG. Dieser setzt voraus, dass der überlebende Ehegatte im Falle der Durchführung des Versorgungsausgleichs insgesamt ausgleichsberechtigt wäre. Denn er soll durch den Tod seines Ehegatten beim Wertausgleich nicht besser gestellt werden, als er gestanden hätte, wenn der Versorgungsausgleich unter lebenden Ehegatten durchgeführt worden wäre (§ 31 Abs. 2 S. 1 VersAusglG). Bei der hiernach erforderlichen Gesamtsaldierung aller ausgleichsreifen Anrechte des überlebenden und des verstorbenen Ehegatten ist regelmäßig der (korrespondierende) Kapitalwert (§ 47 VersAusglG) sämtlicher Anrechte heranzuziehen, um einen einheitlichen Bewertungsmaßstab zu haben (vgl. OLG Saarbrücken, FamRZ 2012, 380; OLG Brandenburg FamRZ 2011, 1299, OLG Hamm, NJW.RR 2011, 1376; Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, § 31 VersAusglG Rz. 24; Borth, Versorgungsausgleich, 6. Aufl., Rz. 682; Palandt/Brudermüller, BGB, 71. Aufl., § 31 VersAusglgG Rz. 2; MünchKomm/Gräper, BGB, 5. Aufl., § 31 VersAusglG Rz. 5).

Die Heranziehung des korrespondierenden Kapitalwertes würde vorliegend zum...

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