Entscheidungsstichwort (Thema)

Uneingeschränkte Dispositionsfreiheit im Rahmen der Ausgestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ehegatten vereinbaren in freier Entscheidung, ob einer von ihnen oder ob beide zum Familieneinkommen durch Erwerbstätigkeit beitragen.

Anforderungen an die Ausbildungsobliegenheit

Der Unterhaltsanspruch eines volljährigen nicht privilegierten Kindes ist zwar grundsätzlich ehe- und damit auch bedarfsprägend. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Ehegatte nicht den ihm zustehenden Selbstbehalt gegenüber dem volljährigen Kind von 920 EUR (Thüringer Tabelle, Stand 1.1.2011, Ziff. 22.1. b. und 22.2. b.) verwirklichen kann, da ansonsten der in §§ 1609 Nr. 3, 1603 Abs. 2 S. 1, 2 BGB geregelte Rangunterhalt unterlaufen würde.

Den vorrangigen Bedarf eines Ehegatten gegenüber einem nach § 1609 Nr. 4 BGB nachrangigen volljährigen Kind bemessen die Thüringer Leitlinien(Ziff. 22.2. b.) spiegelbildlich mit dem Selbstbehalt des Pflichtigen von 1150 EUR, vermindert um die beiderseitigen Vorteile des Zusammenlebens (von 10 % + 10 % = 20 % =) auf 920 EUR.

Ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt besteht dann nicht (mehr), wenn der Unterhaltsberechtigte nach Schulabbruch bis zur Aufnahme seiner Ausbildung drei Jahre weitgehend tatenlos hat.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1602 Abs. 1, §§ 1603, 1606, 1610, 1612, 1612b, 1603 Abs. 2 S. 2, § 1609 Nr. 4, §§ 1360, 1360a

 

Verfahrensgang

AG Mühlhausen (Aktenzeichen 1 F 795/11)

 

Tenor

Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe verweigert.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat den Antragsgegner vor dem AG auf Kindesunterhalt i.H.v. 400 EUR monatlich ab Mai 2011 in Anspruch genommen.

Die Antragstellerin, geboren 1987, ist das volljährige Kind des Antragsgegners. Sie befindet sich seit Dezember 2010 in einer Berufsausbildung zur Hotelfachfrau. Sie erhält eine monatliche Bruttoausbildungsvergütung

ab dem 1.12.2010 i.H.v. 595 EUR,

ab dem 1.12.2011 i.H.v. 650 EUR und ab dem 1.12.2012 i.H.v. 719 EUR.

Die Antragstellerin hat verdient:

Monat

Auszahlung

Essensabzug

Nettoeinkommen

Mai 2011

485,03 EUR

23,55

470,79 EUR

Juni 2011

627,45 EUR

Juli 2011

485,03 EUR

August 2011

485,03 EUR

September 2011

530,13 EUR

Oktober 2011

530,13 EUR

November 2011

621,12 EUR

Dezember 2011

530,13 EUR

Januar 2012

531,14 EUR

Der Antragsgegner hat verdient

Januar 2011

2054,82 EUR

Februar 2011

1968,20 EUR

März 2011

1505,35 EUR

April 2011

1892,84 EUR

Mai 2011

1909,97 EUR

Juni 2011

1958,74 EUR

Juli 2011

1881,79 EUR

August 2011

1650,62 EUR

September 2011

1623,69 EUR

Oktober 2011

2123,56 EUR

November 2011

2317,72 EUR

Dezember 2011

1859,24 EUR

Summe: 22746,54 EUR: 12 =

1895,55 EUR

Die Antragstellerin hat angeführt, ihr entstünden folgende jährliche ausbildungsbedingte Aufwendungen

120 Fahrten zum Ausbildungsbetrieb à 64 km × 0,30 EUR 2304 EUR

50 Fahrten zur Berufschule nach K. à 90 km × 0,30 EUR 1350 EUR

12 Fahrten zur Landesberufsschule nach K. à 90 km × 0,30 EUR 504 EUR

58 Tage Unterbringungskosten (Internat) à 24,70 EUR 1432,60 EUR

Berufsbekleidung 400 EUR

Schulbücher 100 EUR

Summe: 6090,60 EUR

Monatlich: 507,55 EUR

Es ergebe sich folgende Berechnung:

Bedarf eines Kindes mit eigenem Einkommen ohne Hausstand 560 EUR

abzgl. Ausbildungsvergütung 447,24 EUR

abzgl. staatliches Kindergeld 184 EUR

zzgl. berufsbedingte Unkosten 507,55 EUR

Unterhaltsbedarf 436,31 EUR

Die Kindesmutter treffe kein anteiliger Haftungsanteil, da sie aus angestellter Tätigkeit lediglich ein durchschnittliches Nettoeinkommen i.H.v. 654,31 EUR erziele. Zudem sei die Kindesmutter gegenüber ihrem weiteren minderjährigen Kind A., geboren am 4.2.2003, zum Unterhalt verpflichtet.

Der Antragsgegner verfüge über ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 1941,55 EUR. Er sei somit zu Unterhaltszahlungen in der beantragten Höhe leistungsfähig. Demgegenüber habe seine Ehefrau in dem Zeitraum vom 07.02. bis 30.11.2011 ein Nettoeinkommen i.H.v. 3822,50 EUR erzielt; dies entspreche einem Nettobetrag i.H.v. 382,25 EUR monatlich. Der Antragsgegner sei daher zu monatlichen Unterhaltszahlungen leistungsfähig.

Aufgrund des Zusammenlebens mit der Ehefrau sei der Selbstbehalt um mindestens 12,5 % abzusenken. Nachdem die Ehefrau auch über höhere Einkünfte verfüge, sei sogar im Einzelfall an eine höhere Absenkung zu denken.

Der Antragsgegner sei bis einschließlich April 2011 den zwischen den Beteiligten vereinbarten Unterhaltszahlungen nachgekommen. Nachdem der Antragsgegner trotz außergerichtlichem Schriftwechsel die Unterhaltszahlung nicht wieder aufgenommen habe, sei nunmehr der Antrag auf Unterhaltszahlung geboten.

Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt. Sie habe bisher noch keine Berufsausbildung abgeschlossen. Sie habe nach Abschluss ihrer allgemeinen Schulausbildung in der Hauptschule S. für zwei Jahre die BFS Gesundheit und Pflege in L. besucht. Während der ersten Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel beim M. M. in L., die vom 1.9.2007 bis zum 31.8.2010 andauern sollte, habe der Ausbildungsbetrieb ihr währ...

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