Leitsatz (amtlich)

1. Der Bildungsgang Realschule-Höhere Berufsfachschule-Fachhochschulstudium kann - entsprechend den zum Bildungsgang Realschule-Lehre-Fachoberschule-Fachhochschulstudium entwickelten Grundsätzen - eine einheitliche, von den Eltern durch Ausbildungsunterhalt zu finanzierende Berufsausbildung darstellen, wenn schon bei Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung einschließlich des späteren Studiums angestrebt wurde.

Zwischen der Ausbildung zur Sozialassistentin und einem anschließend aufgenommenen Studium der sozialen Arbeit besteht der für eine einheitliche Berufsausbildung erforderliche fachliche Zusammenhang.

Zeitliche Unterbrechungen stehen einer einheitlichen Berufsausbildung nicht entgegen, wenn diese allein auf der fehlenden Zuweisung eines Studienplatzes beruhen.

2. Zur Unterhaltsberechnung beim Zusammentreffen eines unterhaltsberechtigten, nicht privilegierten volljährigen Kindes und eines unterhaltsberechtigten neuen Ehepartners des Unterhaltsverpflichteten:

Trotz Vorrangs der Unterhaltsansprüche des neuen Ehepartners (§ 1609 Nr. 3 und Nr. 4 BGB) ist die Volljährigenunterhaltsverpflichtung bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs des neuen Ehepartners grundsätzlich als prägend zu berücksichtigen. Gleichwohl muss bei der Aufteilung des verfügbaren Einkommens der Vorrang des neuen Ehegatten gewahrt werden. Dies geschieht dadurch, dass dem neuen Ehegatten dessen angemessener Eigenbedarf (entspricht der Höhe nach dem angemessenen Selbstbehalt von derzeit 1.300 EUR) bleiben muss, unter Berücksichtigung jedoch der durch das Zusammenleben der Ehegatten eintretenden häuslichen Ersparnis. Letztere wird dadurch erfasst, dass sowohl der angemessene Eigenbarf des neuen Ehegatten als auch der dem Volljährigenunterhaltsverpflichteten zu belassende angemessene Selbstbehalt (derzeit 1.300 EUR) um 10% gekürzt werden. Daraus folgt, dass der neuen Ehe derzeit ein bereinigtes Nettofamilieneinkommen von 2.340 EUR (2 × (1.300 EUR abzgl. 10%)) verbleiben muss.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1603 Abs. 1, § 1609 Nrn. 3-4, §§ 1610, 1360a Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Lahnstein

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lahnstein vom 04.01.2017, Aktenzeichen 50 F 102/16, aufgehoben und der Antrag wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie der ersten Instanz trägt die Antragstellerin bis auf die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners, die dieser selbst trägt.

3. Der Verfahrenswert wird auf 7.840,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die am 30.12.1992 geborene Antragstellerin ist die Tochter des Antragsgegners aus dessen geschiedener Ehe.

Die Antragstellerin besuchte nach dem Erwerb des Realschulabschlusses im Sommer 2010 bis Sommer 2012 die höhere Berufsfachschule Sozialassistenz und erwarb so - in Verbindung mit einem anschließenden einjährigen Anerkennungspraktikum - die Fachhochschulreife. Sie nimmt den Antragsgegner auf (weiteren) Ausbildungsunterhalt für die Zeit ab dem 13.04.2015 in Anspruch. Sie studiert seit diesem Zeitpunkt Soziale Arbeit an der Fachhochschule F. ... und ist derzeit im fünften Fachsemester des auf sechs Semester angelegten Bachelorstudiengangs. Nach ihren Vorstellungen soll sich daran noch ein viersemestriges Masterstudium anschließen.

Die Antragstellerin wohnt nicht mehr bei ihren Eltern, sondern teilt sich mit ihrem Freund eine Wohnung ...

Der Antragsgegner ist seit Oktober 2008 in zweiter Ehe verheiratet. Er arbeitet in K. und erzielte 2015 unstreitig ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 3.306,00 EUR. Dieses ist bereits bereinigt um Aufwendungen für betriebliche Altersvorsorge in Höhe von 212,00 EUR. Hinzu kommt eine Steuerrückerstattung in Höhe von monatlich umgerechnet 176,73 EUR. Die einfache Wegstrecke für die Fahrt zur Arbeit beträgt 110 km. Der Antragsgegner hat zusammen mit seiner zweiten Ehefrau ein Einfamilienhaus erworben, wofür ihm das Familiengericht bereits im vorausgegangenen Unterhaltsverfahren 50 F 112/13 einen Wohnwertvorteil von 600,00 EUR zugerechnet hat. Die jetzige Ehefrau des Antragstellers, S. K., ist zu 90% schwerbehindert. Für eine weitere minderjährige Tochter (J., *22.04.2004) zahlt der Antragsgegner aufgrund eines bestehenden Kindesunterhaltstitels monatlich 481,00 EUR.

Die Mutter der Antragstellerin ist ebenfalls wieder verheiratet. Ihre Einkommenssituation ist zwischen den Beteiligten streitig ...

Das Familiengericht ist den Berechnungen und Ausführungen der Antragstellerin gefolgt und hat den Antragsgegner antragsgemäß zu Unterhaltszahlungen verpflichtet.

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde und macht unter anderem geltend:

Ausbildungsunterhalt für die Antragstellerin sei bereits dem Grunde nach nicht geschuldet, da es sich bei dem Studium der sozialen Arbeit um eine Zweitausbildung handele und die Antragstellerin nach dem Abschluss als Sozialassistentin auch fast zwei Jahre als Erzieherin im Kindergarten gearbeitet habe. Zudem handele es ...

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