Verfahrensgang

LG Erfurt (Beschluss vom 11.04.2006; Aktenzeichen 2 T 233/05)

 

Tenor

1. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten der weiteren Beschwerde zu tragen und die in diesem Rechtszug angefallenen notwendigen Kosten der Antragsgegnerin zu erstatten.

3. Der Gegenstandswert für die weitere Beschwerde wird auf 65.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Hinsichtlich der Darstellung des Sachverhalts und der für die Entscheidungen der Vorinstanzen maßgebenden Gründe nimmt der Senat auf den angefochtenen Beschluss des LG Bezug.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da die Entscheidung des LG sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis frei von Rechtsfehlern ist (§§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, 546 ZPO).

1. Der zu Tagesordnungspunkt 1 gefasste Beschluss der Eigentümerversammlung vom 3.12.2005, worin die Hausverwaltung bevollmächtigt wurde, für die Wohnungseigentümergemeinschaft die streitgegenständliche Vergleichsvereinbarung mit der Bauträgergesellschaft F abzuschließen, ist weder formell noch inhaltlich zu beanstanden. Ohne Erfolg begehrt die Antragstellerin mit dem Rechtsmittel die Nichtigkeits- bzw. Ungültigerklärung des vorgenannten Beschlusses.

a) Die Wohnungseigentümergemeinschaft war berechtigt, in Form des getroffenen Beschlusses eine Vergleichsvereinbarung zu treffen, die im Verhältnis zum Bauträger den Streit oder die Ungewissheit über Grund und Höhe von Sachmängelansprüchen beseitigte.

aa) Auf das Schuldverhältnis zwischen den Wohnungseigentümern und dem Bauträger findet das BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB). Die Haftung des Bauträgers beim Kauf eines neu errichteten Hauses oder einer neu errichteten Wohnungseigentumsanlage beurteilt sich nach Werkvertragsrecht (vgl. BGH v. 21.2.1985 - VII ZR 72/84, MDR 1986, 45 = NJW 1985, 1551; BGH v. 12.7.1984 - VII ZR 268/83, MDR 1985, 45 = NJW 1984, 2573, 2574; BayObLG v. 4.11.1999 - 2 Z BR 89/99, NJW-RR 2000, 379, 380).

bb) Rechtsgrundlage für Ansprüche wegen Baumängel am Gemeinschaftseigentum ggü. dem Bauträger sind die zwischen diesem und den einzelnen Wohnungseigentümern geschlossenen individuellen schuldrechtlichen Verträge. Normalerweise liegt es zwar allein im Dispositionsbereich eines Bestellers, welche der unterschiedlichen in Betracht kommenden gesetzlichen Rechte - primärer Erfüllungs- bzw. Nachbesserungsanspruch auf Herstellung eines mangelfreien Werkes (§§ 631, 633 BGB a.F.), auch in der Form eines Kostenvorschusses (§ 633 Abs. 3 BGB a.F.), einerseits oder sekundäre Gewährleistungsrechte (§§ 634, 635 BGB a.F.) andererseits - er wahrnimmt. Diese allgemeine Regel ist für Baumängel am Gemeinschaftseigentum einer Wohnungsanlage jedoch schon insofern zu modifizieren, als auch die Dispositionsfreiheit der anderen Eigentümer gewahrt bleiben muss, die alle ebenfalls über gleichgerichtete vertragliche Rechte im Verhältnis zum Bauträger verfügen. Es kann nicht angehen, dass ein einzelner Wohnungseigentümer allen anderen die Wahl eines bestimmten Primär- oder Sekundärleistungsrechts aufzwingt, nur weil er persönlich diese Art der Rechtsverfolgung für opportun hält. Überschneidet sich daher eine bestimmte Art der Rechtsverfolgung mit der Sphäre anderer Eigentümer, muss eine Entscheidung, wie und aufgrund welcher Anspruchsgrundlage (Primär- oder Sekundärleistungsrecht) gegen den Bauträger vorgegangen werden soll, nach demokratischen Spielregeln der Mehrheitsentscheidung durch die Eigentümergemeinschaft vorbehalten bleiben.

Bereits diesen für den vorliegenden Fall maßgebenden Ausgangspunkt verfehlt die Beschwerdebegründung, wenn sie in der Frage, welche Art der Rechtsverfolgung ggü. dem Bauträger angebracht ist, einseitig und ohne Rücksicht auf die Belange anderer Wohnungseigentümer auf die Sichtweise der Antragstellerin abstellt.

cc) Der BGH war bereits mehrfach mit der Frage der Zuständigkeitsabgrenzung befasst, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft Mangelbeseitigungs- bzw. Gewährleistungsansprüche neben oder anstelle der einzelnen Eigentümer geltend machen kann. Dabei hat er allgemeine Grundsätze herausgearbeitet, denen der Senat folgt. Entscheidend ist insoweit - vor dem oben dargelegten Hintergrund - das Merkmal der Gemeinschaftsbezogenheit der Rechtsausübung (vgl. BGHZ 74, 258, 265; BGH v. 4.11.1982 - VII ZR 53/82, MDR 1983, 391 = NJW 1983, 453). Der einzelne Wohnungseigentümer kann seine Rechte aus §§ 633 ff. BGB a.F. allein nur ausüben, soweit die Rechte der anderen Eigentümer nicht tangiert werden und ferner der Bauträger nicht der Gefahr doppelter Inanspruchnahme ausgesetzt ist (vgl. BGH, a.a.O.).

Danach darf der einzelne Eigentümer Nachbesserung gem. § 633 BGB a.F., d.h. Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum, auch mit Wirkung für die übrigen Eigentümer vom Bauträger fordern (vgl. BGHZ 74, 258, 262; BGH v. 21.2.1985 - VII ZR 72/84, MDR 1986, 45 = NJW 1985, 1551), solange ein abweichender Beschluss der Gemeinschaft (noch) nicht ...

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