Verfahrensgang

AG Jena (Aktenzeichen 43 F 7/23)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Jena vom 08.02.2023, Az.: 43 F 7/23, wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,- EUR festgesetzt.

4. Der Antragsgegnerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin . bewilligt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt die Rückführung der gemeinsamen Kinder Y. B., geboren am 16.06.2008, und V. B., geboren am 25.08.2013, auf der Grundlage des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) vom 25.10.1980.

Die Kindeseltern sind ukrainische Staatsangehörige. Ihre im September 2007 geschlossene Ehe ist am 15.03.2016 rechtskräftig geschieden worden. Die Kinder hatten fortan im Haushalt der Kindesmutter in O., Ukraine, gelebt. Beide Elternteile sind Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge.

Die Kindeseltern führen in der Ukraine verschiedene - auch derzeit noch nicht beendete - gerichtliche Verfahren, die die Kinder betreffen. Ein aktueller Kontakt zwischen dem Antragsteller und den Kindern besteht nicht. Der Antragsteller hat zu seinem Sohn zuletzt am 01.12.2021 im Rahmen einer Gerichtsverhandlung zu einer Umgangsstreitigkeit Kontakt gehabt. Der letzte Kontakt zur Tochter hat im Oktober 2020 stattgefunden.

Am 03.03.2022 hat die Kindesmutter zusammen mit den Kindern die Ukraine verlassen und ist nach Deutschland eingereist. Sie lebt mit beiden Kindern in J. Die Ausreise aus der Ukraine ist ohne Wissen und ohne das Einverständnis des Antragstellers erfolgt.

Der Antragsteller ist mit dem dauerhaften Verbleib der Kinder in Deutschland nicht einverstanden. Bis heute habe kein Gericht das Sorgerecht einem der beiden Elternteile entzogen. Aktuell gebe es in O. keine aktiven Feindseligkeiten. Falls solche eintreten werden, könne er mit den Kindern in eine sichere Region in der Ukraine verziehen. Bei seinem derzeitigen Wohnort gebe es zudem speziell ausgestattete Notunterkünfte. Die Kindesmutter habe ihm bereits in der Ukraine jegliche Kontakte zu den gemeinsamen Kindern abgeschnitten. Bis heute habe er keinen Kontakt zu den Kindern, weil die Kindesmutter ihm dies verwehre und die Kinder negativ beeinflusse.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kinder innerhalb einer angemessenen Frist in die Ukraine zurückzuführen und

sofern die Antragsgegnerin den Verpflichtungen nicht nachkommt, die Herausgabe der Kinder an den Antragsteller zum Zwecke der sofortigen Rückführung anzuordnen.

Ergänzend hat der Antragsteller beantragt,

die Rückführung der Kinder in die Ukraine zumindest innerhalb eines Monats ab Beendigung der Kampfhandlungen anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag auf Herausgabe der Kinder zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass eine Rückführung ausgeschlossen sei, weil es sich bei dem gesamten Staatsgebiet der Ukraine seit dem 24.02.2022 um ein Kriegsgebiet handele. Es bestehe daher die konkrete Gefahr für das Leben der Kinder. Das Auswärtige Amt habe eine Reisewarnung für die Ukraine herausgegeben. Außerdem hätten die Kinder bereits vor der Flucht aus der Ukraine keinen Kontakt zum Kindesvater gehabt. Sie würden einen solchen Kontakt auch ablehnen.

Das Jugendamt hat mit Schreiben vom 20.01.2023 eingeschätzt, dass beide Kinder sich vor Ort in einem gut eingebunden sozialen Systemen befänden, Freundschaften geschlossen hätten und sich wohl fühlen würden. Die Familie wolle weiterhin in J. verbleiben. Beide Kinder haben zunächst im Rahmen des Online-Unterrichtes die dritte und siebente Klasse einer ukrainischen Schule beenden können. Zudem sei es möglich gewesen, V. direkt an eine Grundschule anzubinden. Dort besuche sie die vierte Klasse sowie einen zusätzlichen Sprachunterricht. Y. besuche die achte Klasse des Gymnasiums in J. Die schulische Perspektive sei noch nicht abschließend geklärt. Nach Mitteilung der Kindesmutter nehme der Kindesvater keinen Kontakt zu beiden Kindern auf, obwohl ihm die aktuellen Handynummern bekannt seien. Zudem sei im Oktober 2020 ein Strafverfahren gegen ihn aufgrund von Straftaten zu Lasten der Kinder eingeleitet worden.

Der Verfahrensbeistand hat mit Schreiben vom 02.02.2023 berichtet, dass Y. den Kontakt zum Kindesvater ablehne. V. habe erklärt, dass sie Angst vor dem Vater hätte, nachdem dieser die beiden Geschwister bereits entführt habe. Die Entführung habe am 25.10.2020 stattgefunden. Sie wolle ebenso wenig Kontakt zu ihrem Vater. Der Verfahrensbeistand hat empfohlen, die Rückführung der Kinder aufgrund der Kriegshandlungen in der Ukraine und der damit verbundenen schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für die Kinder im Sinne des Art. 13 Abs. 1 b) HKÜ zu versagen.

Das Familiengericht hat sowohl die beiden Kinder als auch die Beteiligten -...

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