Leitsatz (amtlich)

Geht der Sachverständige mit seinen Feststellungen über den ihm erteilten Gutachtensauftrag hinaus, rechtfertigt dies einen Ablehnungsantrag wegen Befangenheit.

Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger kann wegen Befangenheit abgelehnt werden, wenn er den Prozessbeteiligten (hier dem Richter) unzulässigerweise den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits weist.

 

Verfahrensgang

AG Heiligenstadt (Beschluss vom 25.04.2007; Aktenzeichen F 81/05)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Beschlusses des AG - FamG - Heilbad Heiligenstadt vom 25.4.2007 wird die Ablehnung des Sachverständigen R. auf Kosten der Antragstellerin für begründet erklärt.

2. Der Beschwerdewert beträgt 1.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien, die am 6.12.1997 die Ehe geschlossen haben, leben seit dem 2.12.2004 räumlich voneinander getrennt. Aus ihrer Ehe sind die Kinder M., geboren am 19.1.2001 und C., geboren am 2.3.1998, hervorgegangen. Die Kindesmutter hat bei ihrem Auszug die gemeinsamen Kinder mitgenommen.

Die Kinder sind am Ende der Osterferien 2005 bei dem Kindesvater verblieben. Nachdem die Kindesmutter in der Folgezeit versucht hat, die Kinder zu sich zurückzuholen, haben die Parteien wechselseitig mit Schriftsatz vom 7.4.2005 im einstweiligen Anordnungsverfahren beantragt, ihnen das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder zu übertragen.

Das AG hat am 8.4.2005 - ohne mündliche Verhandlung - auf den Antrag der Kindesmutter entschieden, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder bis zur Entscheidung in der Hauptsache auf die Antragstellerin übertragen wird und dem Antragsgegner aufgegeben, die Kinder an die Antragstellerin herauszugeben (Az. F 81/05 EA). Das AG hat seine Entscheidung damit begründet, die Kindesmutter habe glaubhaft gemacht, der Antragsgegner übe das Sorgerecht missbräuchlich aus und gefährde dadurch das Kindeswohl. Die Kinder würden vom Antragsgegner geschlagen, die Mutter im Beisein der Kinder auf das übelste beschimpft und die Kinder gegen deren Willen beim Kindesvater festgehalten werden.

Gegen den Beschluss vom 8.4.2005 hat der Kindesvater mit Schriftsatz vom 13.4.2005 Beschwerde eingelegt.

Das AG hat im Termin vom 11.5.2005 darauf hingewiesen, dass beide Parteien schildern, dass hier körperliche Übergriffe auf die Kinder vorgenommen worden sind, ohne dass der jeweils andere Elternteil eingeschritten ist, so dass nicht auszuschließen ist, dass sowohl der eine wie auch der andere Ehepartner diese körperlichen Übergriffe vorgenommen hat, gegebenenfalls auch beide Parteien die Kinder geschlagen haben. Das AG hat zugunsten der Kindesmutter ein Umgangsrecht angeordnet und Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 22.6.2005 bestimmt.

In dem Hauptsacheverfahren hat die Kindesmutter mit Schriftsatz vom 7.4.2005 beantragt, ihr das Sorgerecht, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Der Kindesvater hat mit Schriftsatz vom 15.3.2005 beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder zu übertragen.

Im Termin vom 22.6.2005 haben die Parteivertreter erklärt, die beiden ersten Umgangskontakte seien gut gelaufen. Probleme seien erst am Ende des 2. Besuchswochenendes aufgetreten, nachdem der Antragsgegner ein blaues Auge davon getragen habe und behauptet habe, der Vater der Antragstellerin habe ihn geschlagen.

Das AG hat mit Beschluss vom 22.6.2005 ein Sachverständigengutachten zu der Frage in Auftrag gegeben, bei welchem Elternteil die Kinder ihren Aufenthalt unter Berücksichtigung des Kindeswohls am ehesten nehmen sollten und den Sachverständigen Dipl.-Psych. R. mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt.

Die Parteien haben im Termin vom 17.5.2006 vor dem AG zugunsten der Kindesmutter einen wöchentlichen Umgangskontakt jeweils montags in der Zeit von 14.00 bis 18.00 Uhr, beginnend mit dem 23.5.2006, vereinbart. Der Umgang sollte dergestalt stattfinden, dass die Kinder durch die Umgangspflegerin der Kindesmutter übergeben werden. Nachdem die Umgangskontakte zunächst unproblematisch anliefen, gab es seit Anfang August 2006 Schwierigkeiten, nachdem die Umgangspflegerin urlaubsbedingt die Übergabe der Kinder nicht wahrnehmen konnte.

Die Kindesmutter hat sich während der Erstellung des Gutachtens mit drei Schreiben an den Sachverständigen gewandt (Bl. 185-195, 199-200 der Gerichtsakte), die sich bei der Gerichtsakte befinden und von denen die Gegenseite keine Abschriften erhalten hat.

Das AG hat am 9.11.2006 Termin zur mündlichen Verhandlung in dem Sorgerechtsverfahren für den 13.12.2006 anberaumt.

Der Sachverständiger R. hat der Richterin am 23.11.2006 telefonisch mitgeteilt, er empfehle die Kinder unmittelbar nach der Verhandlung der Kindesmutter zu übergeben. Eine Begleitung durch das Jugendamt für zwei bis drei Stunden erscheine angebracht, um die Kinder zu beruhigen. Am 28.11.2006 ist das Sachverständigengutachten R. mit einem Umfang von 291 Seiten bei Gericht eingegangen. Das Gutachten wurde am 8.12.2006 an die Beteiligten weit...

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