Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. vorläufige Leistungen wegen Einkommensschwankungen. endgültige Leistungsfestsetzung unter Anrechnung eines monatlichen Durchschnittseinkommens

 

Leitsatz (amtlich)

§ 2 Abs 3 S 1 ALG II-V beinhaltet eine Ermächtigung für den Leistungsträger, nach pflichtgemäßem Ermessen eine endgültige Leistungsfestsetzung nach § 328 SGB III iVm § 40 SGB II abweichend vom Zuflussprinzip auf der Basis eines tatsächlichen Durchschnittseinkommens vorzunehmen (Anschluss an LSG Essen vom 31.10.2012 - L 12 AS 691/11).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.03.2017; Aktenzeichen B 14 AS 18/16 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 12. Juni 2015 und der Bescheid vom 4. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2012 aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über die endgültige Höhe der den Klägern für die Monate Mai 2012 und August 2012 zu gewährenden Grundsicherungsleistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der den Klägern für die Monate Mai 2012 und August 2012 endgültig zu bewilligenden Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die 1952 geborene Klägerin zu 1 und der 1952 geborene Kläger zu 2 sind verheiratet. Im streitigen Zeitraum bewohnten sie eine Wohnung in der … in …, für die eine monatliche Gesamtmiete von 339,55 Euro (Kaltmiete 216 Euro, Betriebskostenvorauszahlung 55,35 Euro, Heizkostenvorauszahlung 63,20 Euro, Stellplatz 5 Euro) zu entrichten war.

Die Klägerin zu 1 geht einer geringfügigen Beschäftigung bei der M. OHG und der Kläger zu 2 einer geringfügigen Beschäftigung bei der … & … AG nach. Beide erzielen aus ihrer Tätigkeit Einkommen in monatlich schwankender Höhe, welches jeweils im Folgemonat zur Auszahlung gelangt. Der Kläger zu 2 entrichtete von seinem Einkommen freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, die Klägerin zu 1 nicht.

Ergänzend stehen die Kläger im fortlaufenden Bezug von Grundsicherungsleistungen beim Beklagten. Mit Bescheid vom 1. Februar 2012 wurden Ihnen Leistungen für den Zeitraum 1. März 2012 bis 31. August 2012 in Höhe von 846,59 Euro monatlich bewilligt. Der Bescheid erging bis zur Klärung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse vorläufig. Im Rahmen der Leistungsberechnung berücksichtigte der Beklagte für die Kläger einen Gesamtbedarf von 1.008,56 Euro (Regelleistung in Höhe von jeweils 337 Euro sowie insgesamt 334,55 Euro Unterkunftskosten). Als Einkommen berücksichtigte er unter Zugrundelegung der ihm vorliegenden Einkommensbescheinigungen der Monate Juli 2011 bis Dezember 2011 bei der Klägerin zu 1 ein hieraus ermitteltes Durchschnittseinkommen von 143,78 Euro, von dem er 35,02 Euro zur Anrechnung brachte. Für den Kläger zu 2 ermittelte er bei gleicher Berechnungsweise ein Durchschnittseinkommen von 258,67 Euro, von dem 126,94 Euro einkommensmindernd berücksichtigt wurden.

Auf den Widerspruch der Kläger erließ der Beklagte am 2. März 2012 einen Änderungsbescheid, mit dem nunmehr unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift (§ 41 SGB II a. F.) für den Zeitraum 1. März 2012 bis 31. August 2012 um 0,01 Euro erhöhte, vorläufige Leistungen in Höhe von 846,60 Euro monatlich bewilligt wurden. Den gegen diesen Änderungsbescheid erneut eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit bestandskräftig gewordenen Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2012 zurück.

Nach den von den Klägern im Folgenden eingereichten Lohnbescheinigungen erzielten sie im Bewilligungszeitraum folgendes Einkommen:

Klägerin zu 1

Kläger zu 2

brutto = netto

brutto

netto 

Februar 2012

147,25 Euro

235,55 Euro

224,71 Euro

März 2012

132,68 Euro

258,05 Euro

246,18 Euro

April 2012

140,05 Euro

168,70 Euro

160,94 Euro

Mai 2012

130,72 Euro

241,75 Euro

230,63 Euro

Juni 2012

137,64 Euro

240,00 Euro

228,96 Euro

Juli 2012

143,84 Euro

214,80 Euro

204,92 Euro

Auf Grundlage dieser Einkommensnachweise errechnete der Beklagte für den Zeitraum 1. März 2012 bis 31. August 2012 für die Klägerin zu 1 ein monatliches Durchschnittseinkommen in Höhe von 138,70 Euro und für den Kläger zu 2 in Höhe von 226,48 Euro brutto/216,06 Euro netto.

Mit Bescheid vom 4. September 2012 bewilligte der Beklagte den Klägern nunmehr für den Zeitraum 1. März 2012 bis 31. August 2012 Leistungen in Höhe von 886,84 Euro monatlich. Der Bescheid ist überschrieben mit “Änderung zum Bescheid vom 02.03.2012 über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.„ Nachfolgend wird darauf verwiesen, dass als Änderung das tatsächliche Durchschnittseinkommen der Kläger aus den Tätigkeiten bei der M. OHG und der … & … AG berücksichtigt wurde. Im Rahmen der Leistungsberechnung berücksichtigte der Bekla...

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