Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Altersgrenze für die Gewährung von Blindengeld

 

Orientierungssatz

1. Eine landesrechtliche Regelung, wonach Blindengeld nur derjenige erhält, der das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist verfassungsgemäß.

2. Die Altersgrenze für Blinde verstößt nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Leistungen der Blindenhilfe gehören zur gewährenden Staatstätigkeit. Bei deren Ausgestaltung verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser erstreckt sich auch auf die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises.

3. Die gesetzliche Regelung verstößt auch nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Das Blindengeld ist keine beitragsfinanzierte Leistung, sondern eine aus Steuermitteln finanzierte Fürsorgeleistung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2000 - 1 BvR 395/00.

4. Das Sozialstaatsprinzip nach Art. 20, 28 GG ist nicht verletzt. Es enthält kein Gebot, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren. Dies gilt auch für Ausgleichsleistungen in Fällen, denen ein besonderes schweres Schicksal zugrunde liegt, vgl. BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95.

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 17. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtliche Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Bewilligung von Blindengeld nach dem Thüringer Blindengeldgesetz (ThürBliGG) aufgehoben und die Zahlung des Blindengeldes mit Wirkung vom 01. Januar 2006 eingestellt wurde.

Dem Kläger war mit Bescheid des FDGB-Kreisvorstandes G. vom 05. Februar 1988 (Bl. 59 d.A.) Blindengeld in monatlicher Höhe von 30 Mark/DDR bewilligt worden. Auf seinen Antrag bewilligte der Freistaat dem Kläger mit Bescheid vom 07. Dezember 1992 rückwirkend ab 01. Januar 1992 Blindengeld nach dem ThürBliGG. Zuletzt wurde ihm durch Bescheid des Freistaats Thüringen, Versorgungsamt, vom 21. März 2005 monatliches Blindengeld in Höhe von EUR 400,00 bewilligt.

Am 23. Dezember 2005 beschloss der Thüringer Landtag das Haushaltsbegleitgesetz 2006/2007 (GVBl 2005, S. 446 ff.), mit dessen Artikel 14 das ThürBliGG dahingehend geändert wurde, dass ab 01. Januar 2006 Blindengeld nur derjenige erhält, der das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Das Änderungsgesetz wurde am 30. Dezember 2005 im Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2005 informierte der Freistaat den Kläger über die geänderte Gesetzeslage und wies gleichzeitig darauf hin, dass alle Blinden dem Grunde nach Anspruch auf Blindenhilfe nach § 72 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) haben, diese sei allerdings abhängig vom Einkommen und Vermögen des Blinden.

Mit Bescheid vom 31. Dezember 2005 hob der Freistaat den Bewilligungsbescheid vom 21. März 2005 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und stellte die Zahlung des Blindengeldes ab 01. Januar 2006 ein. Der Kläger habe aufgrund des Informationsschreibens vom 27. Dezember 2005 und aufgrund der ausführlichen Berichterstattung in der Presse Kenntnis über die beabsichtigten Gesetzesänderungen gewusst, dass der zuerkannte Anspruch ab dem 01. Januar 2006 nicht mehr gegeben sei. Er habe weder auf den Fortbestand der alten Rechtslage noch auf die Bestandskraft des Ausgangsbescheides vertrauen können. Eine Anhörung sei gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X nicht erforderlich.

Widerspruch und Klage waren erfolglos. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf Bewilligung von Blindengeld auch über den 31. Dezember 2005 hinaus weiter. Er macht geltend, er habe mit Bescheid des FDGB-Kreisvorstandes G. vom 05. Februar 1988 Blindengeld bewilligt bekommen. Im Einigungsvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland sei von einer Eigentumsgarantie ausgegangen worden, es sei daher nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nun durch eine landesrechtliche Regelung ab 01. Januar 2006 überhaupt keine Leistungen mehr erhalten solle. Es hätte zumindest ein Bestandsschutz für Bescheide der ehemaligen DDR verankert werden müssen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 17. Januar 2007 und den Bescheid vom 31. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21./24. März 2006 aufzuheben und ihm für den Zeitraum Januar 2006 bis Dezember 2007 Blindengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Zum 1. Januar 2008 wurde der Kreis der Berechtigten nach dem ThürBliGG wieder erweitert und auch der Kläger einbezogen. Die Klage war zunächst gegen den Freistaat Thüringen gerichtet. Seit 01. Mai 2008 sind die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig für die Aufgaben nach dem ThürBliGG. Die nunmehr beklagte kreisfreie Stadt Gera ist daraufhin in das Verfahren eingetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und...

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