Entscheidungsstichwort (Thema)

Streichung des Landesblindengeldes ab dem 27. Lebensjahr. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Gegen die Regelung des § 1 S 1 BliGG TH in der ab 1.1.2006 geltenden Fassung, wonach nur noch derjenige Blindengeld erhält, der das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Umstritten ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Bewilligung von Blindengeld nach dem Thüringer Blindengeldgesetz (ThürBliGG) aufgehoben und die Zahlung des Blindengeldes mit Wirkung ab 01.01.2006 eingestellt wurde.

Der Kläger bezog Blindengeld nach dem ThürBliGG. Die Leistung wurde zuletzt durch Bescheid vom 21.03.2005 in Höhe von 400,00 EUR monatlich bewilligt. Am 23.12.2005 beschloss der Thüringer Landtag das Haushaltsbegleitgesetz 2006/2007, mit dessen Artikel 14 das ThürBliGG geändert wurde. Das Änderungsgesetz wurde am 30.12.2005 im Gesetz- und Verordnungsblatt des Freistaates Thüringen veröffentlicht. Nach der ab 01.01.2006 geltenden Neuregelung erhält nur noch derjenige Blindengeld, der das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Mit Informationsschreiben vom 27.12.2005 informierte der Beklagte den Kläger über die geänderte Gesetzeslage. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass alle Blinden dem Grunde nach Anspruch auf Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) hätten, die Gewährung der Blindenhilfe jedoch im Gegensatz zum Landesblindengeld einkommens- und vermögensabhängig erfolge. Mit Bescheid vom 31.12.2005 hob der Beklagte den Bescheid vom 21.03.2005 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und stellte die Zahlung des Blindengeldes ab 01.01.2006 ein. Er nahm Bezug auf das übersandte Informationsschreiben und die ausführliche Berichterstattung in der Presse über die beabsichtigten Gesetzesänderungen. Der Kläger habe deshalb gewusst, dass der zuerkannte Anspruch auf Blindengeld ab dem 01.01.2006 nicht mehr gegeben sei. Er habe weder auf den Fortbestand der alten Rechtslage noch auf die Bestandskraft des Ausgangsbescheides vertrauen können. Eine Anhörung sei gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X nicht erforderlich.

In seinem Widerspruch trug der Kläger vor, die Einstellung des Blindengeldes verstoße gegen die Thüringer Verfassung und das Grundgesetz (GG) sowie gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das Blindengeld werde benötigt, um den erheblichen blindheitsbedingten Mehraufwand wenigstens einigermaßen zu decken. Im Vertrauen darauf, dass das Blindengeld auch weiterhin einkommens- und vermögensunabhängig gewährt werde, habe der Kläger Vermögensdispositionen hinsichtlich seiner Altersversorgung getroffen. Mit dem Wegfall des einkommens- und vermögensunabhängigen Blindengeldes werde er künftig daran gehindert, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Der Wegfall stelle außerdem eine erhebliche Verletzung der Menschenwürde dar. Die Aufhebung des Bescheides über die Gewährung von Blindengeld ab dem 01.01.2006 sei auch deshalb nicht zulässig, weil der Aufhebungsbescheid erst am 02.01.2006 zugegangen sei. Die noch im Jahre 2005 zugesandte Information über die bevorstehende Änderung könne den Bescheid nicht ersetzen. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2006 bestätigte der Beklagte seine Ausgangsentscheidung.

Am 11.04.2006 hat der Kläger Klage erhoben. Über seinen Bevollmächtigten trägt er vor, der Kläger habe mit Bescheid des FDGB-Kreisvorstandes G. vom 05.02.1988 Blindengeld bewilligt bekommen. Im Einigungsvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland sei von einer Eigentumsgarantie ausgegangen worden. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nun durch eine landesrechtliche Regelung ab 01.01.2006 gar keine Leistungen mehr erhalten solle.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 31.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21./24.03.2006 aufzuheben und dem Kläger Blindengeld über den 31.12.2005 hinaus in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und ist der Ansicht, bei der Zahlung des Landesblindengeldes handele es sich um eine freiwillige Leistung des Freistaates Thüringen, die aufgrund der Haushaltslage nicht mehr gewährt werden könne. Ein Bestandsschutz für die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages aus der Zeit der DDR sei im Einigungsvertrag nicht festgeschrieben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat der Beklagte den Bescheid vom 21.03.2005 mit Wirkung ab 01.01.2006 aufgehoben und die Zahlung des Blindengeldes auf der...

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